Lehrer haften für ihre Schüler

Hamburger Aktion gegen Bildungsabbau: Trotz Demoverbots und Androhung von disziplinarischen Maßnahmen protestierten rund 50.000 Lehrer, Schüler, Studenten und Eltern  ■ Von Kaija Kutter

Hamburg (taz) – „Schafft die Schule ab, sie kostet nur Geld!“ Unter diesem Motto demonstrierten gestern mittag rund 50.000 LehrerInnen, SchülerInnen, Eltern und StudentInnen mit einem Sternmarsch zur Hamburger Innenstadt. Die größte Protestaktion gegen Bildungsabbau seit zehn Jahren kam zustande, obwohl Hamburgs Schulsenatorin Rosemarie Raab mit Disziplinarmaßnahmen und Gehaltskürzungen drohte. Der Hamburger GEW, die neben der Hamburger SchülerInnenkammer und dem Asta der Uni zur Demonstration aufgerufen hatte, wurde sogar ein Zwangsgeld von 50.000 Mark angedroht. Weil der Demoaufruf dazu führe, daß Schüler unbeaufsichtigt seien, verstoße er gegen das „Sicherheits- und Ordnungsgesetz“, lautete die Begründung für die ungewöhnlich martialische Reaktion der SPD- Frau Raab. Die GEW legte dagegen Widerspruch ein: Unterrichtsausfall sei an der Tagesordnung, außerdem sei dafür gesorgt, daß kein Schüler unbetreut bleibt. Ein solches Zwangsgeld in Höhe von 90.000 Mark hatte die Lehrergewerkschaft 1988 tatsächlich schon einmal zahlen müssen, damals hatte die Organisation aber mit einem Streikaufruf bewußt gegen das Beamtengesetz verstoßen. Eine so harte Reaktion auf einen vergleichsweise harmlosen Demonstrationsaufruf kann sich GEW-Chef Hans-Peter de Lorent nur damit erklären, daß für kommende Jahre noch größere Einsparungen geplant sind und der Protest im Keim erstickt werden soll. In der Tat beschert ein drohendes 1,5-Milliarden-Defizit im Hamburger Haushalt dem Bildungswesen gewaltige Verschlechterungen. An der Uni sollen noch in diesem Jahr in einem „ersten Schritt“ 1.000 Studienplätze abgebaut werden. Der Schulbereich wird vorerst noch geschont, weil bis zum Jahr 2000 rund 30.000 zusätzliche SchülerInnen erwartet werden. Die aber, so zeichnet sich die Senatspolitik ab, sollen von der gleichen Anzahl von LehrerInnen unterrichtet werden – was einem faktischen Abbau von über 1.000 Stellen gleichkäme. Die Hamburger Schulsenatorin bemühte sich in den vergangenen Monaten, mit sogenannten „intelligenten Sparvorschlägen“ die PädagogInnen zum Mitsparen zu motivieren. Was aber gründlich danebenging. Genannt wurden unter anderem der „bedarfsdeckende Einsatz“ von Referendaren, die Kürzung der Ferien, die Abschaffung von Berufsvorbereitungsklassen für AusländerInnen und lernschwache SchülerInnen bis hin zur Abschaffung ganzer Bildungsgänge, der Höheren Handelsschule und der Aufbaugymnasien. Die Bildungssenatorin beteuert, es handle sich stets nur um alternativ genannte Vorschläge, von denen es die vernünftigsten auszuwählen gelte. Nach Einschätzung der GEW müßten jedoch sämtliche Sparmaßnahmen realisiert werden, um das vom Senat vorgegebene Ziel zu erreichen.