Lebenslange Freiheitsstrafe im Air-base-Prozeß

■ Fragwürdige Kassiber reichen dem Frankfurter Staatsschutzsenat zur erneuten Verurteilung der RAF-Gefangenen Eva Haule / BKA-Intervention folgenlos

Berlin (taz) – Im Zweifel gegen die Angeklagte. Nach diesem Grundsatz verurteilte der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt gestern die bereits seit 1986 inhaftierte RAF-Gefangene Eva Haule zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Nach Überzeugung der Richter gehörte Haule am 8. August 1985 zu einem gemeinsamen Kommando der französischen Action Directe und der RAF, das zunächst den zwanzigjährigen US-Soldaten Edward Pimental durch einen Genickschuß ermordete, um anschließend auf der Frankfurter US-Air-base eine Autobombe zu zünden.

Dabei starben ein Soldat und eine Zivilangestellte, 23 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Die Anklage der Bundesanwaltschaft stützte sich zentral auf zwei der RAF-Gefangenen zugeschriebene Schriftstücke, die 1990 gemeinsam mit zahlreichen weiteren Kassibern in der Zelle einer Mitgefangenen Haules gefunden worden waren. In den beiden Papieren setzte sich Haule – zum Teil in der Wir-Form – mit der damaligen RAF-Strategie und dem Anschlag auf die US-Air-base auseinander.

Die Anklagevertreter schlossen daraus auf die direkte Beteiligung Haules an dem Anschlag. Massive Zweifel an dieser Version meldete im vergangenen Dezember ausgerechnet das der RAF-Sympathisantenschaft nicht verdächtige Bundeskriminalamt (BKA) an: Die fraglichen Schriftstücke stellten für eine direkte Teilnahme Haules an dem Anschlag „keinen Beleg“ dar, hieß es in einem seinerzeit von der taz öffentlich gemachten Auswertungsbericht der Wiesbadener Kriminalbehörde. Mit der häufig verwendeten Wir-Form, schrieben die BKA-Fahnder, bezeichne die Gefangene eindeutig „nicht die ausführenden Täter, sondern die RAF als Kollektiv, zu dem sie sich zählt“. Der Querschuß aus dem BKA löste heftige öffentliche Attacken der Karlsruher Anklagevertreter gegen Wiesbaden aus und führte schließlich zur Strafversetzung des für den Auswertungsbericht verantwortlichen BKA-Beamten Karl Brisach in die Abteilung Rauschgiftbekämpfung.

Eva Haule nutzte der Schlagabtausch zwischen den obersten Staatsschutzbehörden nichts. Im gestrigen Urteil schrieb das Gericht die „besondere schwere der Tat“ der Angeklagten fest, was eine vorzeitige Strafaussetzung zur Bewährung nach 15 Jahren praktisch ausschließt.

Damit bleibt die Gefangene, die bereits 1988 wegen eines fehlgeschlagenen Bombenanschlags auf die Nato-Schule in Oberammergau zu 15 Jahren verurteilt worden war, voraussichtlich über die Jahrtausendwende hinaus in Haft. Gerd Rosenkranz