„Wichtigste Waffe ist der Dialog“

■ Im Gespräch mit der taz erläutert Nelson Mandela seine Regierungsvorstellungen

Johannesburg (taz) – „Die wichtigste Frage für uns wird sein, wie wir die Forderungen der Mehrheit erfüllen, ohne die Minderheiten in diesem Land zu erschrecken.“ Im Interview mit der taz bekräftigt der Präsident des ANC und der absehbare Sieger der laufenden Wahlen, Nelson Mandela, seine Überzeugung, daß auch das zukünftige Südafrika die Weißen braucht. „Sie haben Kenntnisse und Mittel, die wir nicht haben.“ Um jede Konfrontation zu vermeiden, plädiert Mandela auch für eine Amnestie für Militärs und Polizisten, die zur „Verteidigung der Apartheid Verbrechen verübten“. „Polizei, Militär und Geheimdienste“, so der ANC-Chef, „werden bei den kommenden Veränderungen eine entscheidende Rolle spielen.“ Er berichtet, er habe in den letzten Wochen mit sämtlichen Polizeigenerälen gesprochen und hoffe, daß sie sich konstruktiv verhalten werden. „Meine wichtigste Waffe dabei ist der Dialog.“

Unterdessen sind die ersten freien Wahlen um einen Tag verlängert worden. Zur Begründung sagte der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission (IEC), Richter Johan Kriegler, nach einem Treffen mit den Chefs der großen Parteien, daß es in Teilen der neuen Provinzen Ost-Kap, Nord-Transvaal und KwaZulu/ Natal bislang keine „freien und fairen Wahlen“ gegeben habe. Die IEC schlage deshalb vor, dort die Wahllokale auch heute öffnen zu lassen. In diesen drei Provinzen liegen die ehemaligen Homelands Venda, Lebowa, Gazankulu, KwaZulu, Ciskei und Transkei, in denen es große Schwierigkeiten gab, die Wahl durchzuführen. Die letzte Entscheidung über eine Verlängerung der Wahl lag jedoch nicht bei der IEC, sondern beim noch amtierenden Staatspräsidenten Frederick Willem de Klerk. Sowohl ANC-Führer Nelson Mandela als auch Inkatha-Chef Mangosuthu Buthelezi hatten gestern eine Verlängerung der Wahl gefordert. Buthelezi machte aber seine Drohung vom Mittwoch abend, sich wieder aus der Wahl zurückzuziehen, bislang nicht wahr. Mandela sagte in einem Fernsehinterview, die Verzögerungen des Vortages seien „massive Sabotage“ – ohne diese Vorwürfe jedoch erhärten zu können. Wenig später wurde er sogar von seiner eigenen Partei zurückgepfiffen, die erklären ließ, Mandelas Äußerungen seien Ausdruck seiner eigenen Frustration, es gebe jedoch keine Belege für seine Vermutung. Schwierigkeiten gab es auch, weil in einzelnen Gebieten nicht genügend Inkatha-Aufkleber vorhanden waren, die nach der überraschenden Wahlteilnahme der Partei auf die Stimmzettel geklebt werden sollten. Die Auszählung der Stimmen beginnt nun erst am Samstag morgen. Ohne größere Zwischenfälle verlief gestern bis Redaktionsschluß eine Versammlung von mehreren hundert schwerbewaffneten Mitgliedern der militanten rechtsradikalen „Afrikaner Widerstandsbewegung“ (AWB) etwa 120 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Die südafrikanische Polizei hatte am Mittwoch im Zusammenhang mit den schweren Bombenanschlägen der letzten Tage 31 Rechtsradikale festgenommen. Darunter auch AWB-Mitglieder und Mitglieder ihrer Elitetruppe, der sogenannten „Eisernen Wache“. Kordula Doerfler

Interview mit Nelson Mandela Seite 10