Konkurrenz für vergreisende Kommunalpolitiker

■ Heidelberger Studenten wollen ins Rathaus / CDU: Wir vernachlässigen die Jugend

Heidelberg hat 130.000 Einwohner und 30.000 Studierende. Über deren kleinen und große Interessen entscheidet ein 40köpfiger Gemeinderat. Durchschnittsalter: 53 Jahre. Verjüngung wäre nicht schlecht, dachten sich da einige Studierende. Und weil es das baden-württembergische Kommunalwahlrecht erlaubt, bildeten sie Anfang des Jahres die „Studi-Liste“. Das ist ein Zusammenschluß junger Leute, der sich – mißmutig beäugt von den etablierten Parteien – am 12. Juni im Neckarstädtchen zur Kommunalwahl stellt.

„Es ist besser, selbst im Gemeinderat zu sitzen als Lobby-Politik zu betreiben“, meint der Physik- und Theologiestudent Christian Weiss, der Platz zwei auf der „Studi-Liste“ innehat. Erst das hartnäckige, zwei Jahre währende Insistieren einiger Fachschaftler sicherte zum Beispiel die segensreiche Einführung des „Studi-Tickets“. Für 100 Mark pro Halbjahr können Studierende nun alle öffentlichen Verkehrsmittel Heidelbergs nutzen. Unterstützung durch die Parteien fanden die aktiven Hochschüler kaum. „Unsere Gemeinderäte denken im eigenen Erfahrungsbereich“, beschwert sich Jutta Göttert, die erste auf der „Studi-Liste“, „junge Themen und Interessen gehören nicht dazu. Man bekommt zwar ein offenes Ohr, aber keine Hilfe.“

Solche Vorwürfe hören bemühte Grüne und SPDler nicht gern. Das Verkehrskonzept der Studenten sei dem der Grünen sehr ähnlich, wird gemäkelt, und die Oberbürgermeisterin Beate Weber (SPD) will das Studi-Ticket mit aus der Taufe gehoben haben. Die OB findet es bedauerlich, „daß sich die engagierten Studenten nicht in den bestehenden Parteien und Gruppen wiederfinden.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende Raban von der Malsburg fürchtet zudem eine Aufsplitterung des Gemeinderats. Das erschwere die Entscheidungsfindung. „Verhältnissen wie im italienischen Parlament“ sieht von der Malsburg entgegen, gesteht aber freimütig für seine Partei, die CDU: „Wir vernachlässigen die Jugend!“

Eines machen diese Reaktionen deutlich: Die 23jährige Jutta Göttert und ihr 26jähriger Kommilitone Christian Weiss werden als KandidatInnen für den Gemeinderat ernstgenommen. Sie selber geben Entwarnung, vor allem in Richtung Grüne: „Wir wollen hauptsächlich Nichtwähler mobilisieren.“ Und da tun sich Welten auf. Nur 40 Prozent der immatrikulierten wahlberechtigten Studenten – bei 60 Prozent lag die Gesamt-Wahlbeteiligung – haben am letzten Urnengang in der Kommune teilgenommen. Das macht bei etwa 10.000 studierenden Wahlberechtigten mindestens 6.000 Nichtwähler. Rund 1.300 Stimmen, so haben die Studierenden ausgerechnet, brauchen sie für einen Sitz im Stadtparlament. „Wir hoffen auf zwei bis drei Sitze und rechnen mit wenigstens einem.“ Das Programm: Vermittlungsinstanz sein für junge Leute. Jutta Göttert, die Mathe und Bio studiert, will für Schüler und Studenten eine Sprechstunde einrichten.

Viel Politik, wenig Studium – das kommt auf die studierenden Gemeinderäte in spe zu. Mit 20 bis 30 Stunden pro Woche Zeitaufwand kalkulieren die erste und der zweite der „Studi-Liste“. Bei einer pauschalen Aufwandsentschädigung von 900 Mark im Monat wäre das ein Stundenlohn von etwa 10 Mark. Das Geld kann es also nicht sein, das lockt. „Gesellschaftliches Engagement“ sei ihr Antrieb, so Jutta Göttert. Und Christian Weiss will etwas umsetzen: „Die große Politik interessiert mich nicht.“ Sonja Striegl