■ Mit Umwelt-Dumping auf du und du
: Wettbewerbsvorteile

Berlin (taz) – Niedrige Umweltstandards verschaffen gewissen Ländern im Welthandel Wettbewerbsvorteile. Das befürchten jedenfalls die Regierungen zahlreicher Industriestaaten, vornehmlich der USA, und nehmen dies zum Anlaß, im Rahmen des Welthandelsabkommens, Gatt, nach Umweltregeln zu rufen. Diese sollen es einem Land, sagen wir den USA, ermöglichen, Strafzölle gegen ein anderes Land zu erheben, wenn dort unter niedrigen Umweltstandards produziert wird. Vor allem Entwicklungsländer vermuten hier eine neue Variante von Protektionismus.

Im Umkehrschluß bedeutet das: Die Industrieländer fürchten, daß ihre vergleichsweise hohen Umweltschutzstandards der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft schaden. Die Unternehmer blasen in dasselbe Horn und rufen nach lascheren Umweltgesetzen, damit sie an Umweltschutzinvestitionen sparen können. Andernfalls seien sie gegenüber Wettbewerbern aus Billig-Umwelt-Ländern benachteiligt, und dann sei der Standort Deutschland (oder wahlweise USA) in Gefahr.

Piritta Sorsa, Wirtschaftswissenschaflerin bei der Weltbank, räumt nun mit solcherlei Vorurteilen auf. In ihrer Studie kommt sie zu dem Schluß, daß hohe Umweltschutzstandards keineswegs der Wettbewerbsfähigkeit schaden. Im Gegenteil: Strenge Umweltauflagen begünstigen Innovationen und neue Investitionen. Damit machen sie Industrien fitter gegenüber der Konkurrenz.

Die Branchen, die in vielen Industrieländern am meisten für Umweltschutzmaßnahmen ausgeben (müssen), etwa die Chemieindustrie, hätten im untersuchten Zeitraum von 1970 bis 1990 ihre Wettbewerbsposition in fast allen Fällen verteidigt. Weltmarktanteile haben sich in diesen Industrien kaum verändert, gleichgültig ob in einem Land besonders strenge Umweltauflagen eingeführt wurden oder nicht.

In einigen Ländern, so etwa Österreich und Finnland, haben besonders stark reglementierte Branchen ihre Marktanteile sogar ausweiten können. Wo umweltgefährdende Industrien abgebaut wurden, etwa in Japan, habe dies weniger an teuren Umweltauflagen gelegen als vielmehr an besonders hohen Energiekosten.

Insgesamt stellten die Ausgaben für Umweltschutzmaßnahmen ohnehin nur einen geringen Anteil der Gesamtkosten von Unternehmen dar. Daher sei es sehr unwahrscheinlich, daß ausgerechnet dieser Kostenfaktor die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutlich beeinflussen sollte. lieb

The World Bank, working paper 1249: Competitiveness and Environmental Standards