Castro: Rigorose Maßnahmen

Kubas Nationalversammlung beschließt neues Sparpaket / Preiserhöhungen, Entlassungen, neue Währung / Kaum wirtschaftliche Freiräume  ■ Von Bert Hoffmann

Berlin (taz) – „Die Halbherzigkeit muß ein Ende haben“, kündigte Fidel Castro den Delegierten an; man müsse jetzt vielmehr „ein Bündel rigoroser Maßnahmen ergreifen“. Die einst üblichen Paraden waren abgesagt, statt dessen war Kubas Nationalversammlung zum 1. Mai zu einer zweitägigen Sondersitzung einberufen worden. Einziges Thema: die Wirtschaftskrise.

Zum Tag der Arbeit präsentierte Castros Finanzminister José Luis Rodriguez den Abgeordneten des kubanischen Parlaments dann, wie der „rigorose“ Kurs in den kommenden Monaten aussehen soll: Der Staat wird Angestellte entlassen und die Millionen- Subventionen für Kubas defizitäre Betriebe zusammenstreichen, um das Haushaltsdefizit zu verringern; Preise für „nicht lebensnotwendige Produkte“ werden erhöht, Zigaretten und Alkohol, aber auch Strom, Wasser und Telefon werden teurer, Steuern werden neu geschaffen beziehungsweise erhöht, und auch im Erziehungs- und Gesundheitswesen sollen bestimmte bislang kostenlose Leistungen fortan bezahlt werden. Und schließlich arbeite man an der Einführung einer neuen Währung, konvertierbar und am US-Dollar orientiert.

Wert des Peso verfällt

In der Tat wird nirgends der dramatische Verfall der Ökonomie deutlicher als am fast völligen Wertverlust des kubanischen Peso. Neu ist das freilich keineswegs. Und auch von einer neuen Währung sprach Castro bereits vor zehn Monaten, als er die Legalisierung des US-Dollar in Kuba bekanntgab. Nur ist seitdem wenig passiert: Castro selbst war schließlich der oberste Garant jener Halbherzigkeit, gegen die er jetzt mit großen Worten zu Felde zieht. Während die politische Führung das Thema immer wieder verschob, stieg jedoch der Überschuß an Pesos, denen keine Waren mehr gegenüberstehen, von damals schon atemberaubenden neun Milliarden auf jetzt elf. Die kubanische Währung, offiziell 1:1 zum Dollar, wird in Havanna bereits für 1:100 getauscht. Jenseits der geschrumpften Welt der Rationierungskarten ist damit heute ein Monatslohn gerade noch zwei Liter Milch wert. Je länger die Maßnahmen aufgeschoben werden, das scheint man jetzt zu erkennen, desto bitterer werden sie ausfallen.

Für die Revolution kein Opfer zu groß

Schon im Dezember hatte das kubanische Parlament praktisch all das entscheiden sollen, was jetzt in Havanna präsentiert wird. Doch Castro persönlich hatte damals gegen „technokratische Lösungen“ interveniert. In der Folge richtete man in allen Betrieben „Arbeiterparlamente“ ein, um die Maßnahmen zu diskutieren – eine einzigartige basisdemokratische Initiative sagen die einen, eine zynische Farce, die anderen. Offiziell jedenfalls kamen sie alle zu dem Ergebnis, das der Führer des staatlichen Gewerkschaftsverbands, Pedro Ross, am 1. Mai kundtat: Für die Errungenschaften der Revolution sei den Arbeitern kein Opfer zu groß.

Mehr Einfluß als die publicity- trächtigen „Arbeiterparlamente“ auf das jetzige Maßnahmenpaket dürften andere Kontakte gehabt haben. Zum Beispiel der Spanien- Besuch der beiden führenden Köpfe der kubanischen Wirtschaftspolitik, De-facto-Premierminister Carlos Lage und Finanzminister Rodríguez, vor wenigen Wochen. Dort berieten sie sehr diskret mit hochkarätigen spanischen Wirtschaftsexperten ihre Konzepte für Reform und Rettung der kubanischen Wirtschaft. Ganz zu schweigen von dem noch diskreter gehandhabten Kuba-Besuch von Jacques de Groote, einem der Exekutivdirektoren des IWF, im November letzten Jahres.

Bei all dem bleibt jedoch fraglich, wie weit wirklich eine „Liberalisierung“ der kubanischen Wirtschaft stattfindet. Das prominenteste Beispiel sind die privaten Kleinbetriebe, die vor einem halben Jahr in verschiedenen Bereichen zugelassen wurden – im Prinzip. In der Praxis jedoch wurden sie mehr verhindert als gefördert. Die überall aus dem Boden geschossenen privaten Garküchen und Mini- Restaurants etwa sind inzwischen fast alle wieder verboten worden.

Harte Sparmaßnahmen durchzudrücken ist der Regierung in Havanna bislang noch immer leichter gefallen, als wirtschaftliche Freiräume nach unten zu gewähren. Und wieweit künftig der „politische Mut“ Fidel Castros hier reicht, wird sich erst nach der jetzigen Parlamentssitzung zeigen.