Brandstifter von Lübeck gefaßt

■ Bundesanwaltschaft erläßt Haftbefehl / Vier Jungmänner sollen Synagoge angezündet haben

Lübeck/Berlin (taz) – Der Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck ist offenbar aufgeklärt. Gestern am späten Nachmittag erließ die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Haftbefehle gegen vier junge Männer aus Lübeck. Sie sind zwischen 19 und 24 Jahre alt. Ihnen wird vorgeworfen, in der Nacht zum 25. März Brandflaschen in ein Seitenfenster der Synagoge in der Lübecker Annenstraße geworfen zu haben. Verletzt wurde bei dem Anschlag niemand, weil sich die Bewohner rasch in Sicherheit bringen konnten. Den mutmaßlichen Tätern werden fünffacher Mordversuch und schwere Brandstiftung vorgeworfen.

Sechs Wochen lang hatte die Bundesanwaltschaft mit einer Sonderkommission in Lübeck ermittelt. Gestern wurden offiziell keine weiteren Angaben zu den jungen Männern gemacht.

Der Privatsender RSH und die Tageszeitung Lübecker Nachrichten berichteten, daß Hinweise aus der Bevölkerung zu den Haftbefehlen geführt hätten. Die mutmaßlichen Täter sollen aus der rechtsextremistischen Szene der Hansestadt kommen. Bereits am vergangenen Donnerstag soll der erste von ihnen festgenommen worden sein. Die Polizei hätte ihn aufgrund einer richterlichen Sondergenehmigung länger als 48 Stunden verhört, hieß es. Zuerst habe er das Verbrechen geleugnet. Im Zuge der langen Verhöre soll der junge Mann dann aber die Namen der anderen mutmaßlichen Mittäter angegeben haben. Diese hätten zunächst jegliche Tatbeteiligung geleugnet, geben die Lübecker Nachrichten an. Die Zeitung beruft sich dabei auf Angaben der Polizei. Im Verlaufe der Verhöre hätten die Festgenommenen ihre gegenseitigen Alibis widerrufen. Alle vier Männer sollen voll geständig gewesen sein. Gestern wurden die vier dem Haftrichter vorgeführt. Einer von ihnen wurde in das Untersuchungsgefängnis Lübeck-Lauerhof gebracht, ein weiterer nach Neumünster. Zwei sollen im Gefängnis in Kiel sitzen.

Zum ersten Mal nach dem Krieg hatte in der Nacht zum 25. März in Deutschland wieder eine Synagoge gebrannt. Ihr Kantor, Berthold Katz, ist einer von zwei Lübecker Überlebenden des Holocaust. Vor dem Krieg zählte die Gemeinde noch über 60 Juden, zur Zeit besteht sie nur noch aus 27 Mitgliedern. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde die Lübecker Synagoge zwar geplündert, aber nicht angezündet. Die Nationalsozialisten wollten damals nicht riskieren, daß das angrenzende „schönste Museum der Stadt“, ein ehemaliges Kloster, in Gefahr geriet. Die Brandstifter von heute haben darauf keine Rücksicht genommen.

Der Anschlag sorgte für weltweite Empörung. In der Bundesrepublik kam es zu scharfen politischen Auseinandersetzungen. Der Vorsitzende der „Republikaner“, Franz Schönhuber, hatte den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, bezichtigt, er sei „derjenige, der in Deutschland für den Antisemitismus sorgt“. Bubis hatte Schönhuber vorgeworfen, als „geistiger Brandstifter“ für den Lübecker Anschlag verantwortlich zu sein. In einem taz-Interview sagte Bubis: „Die Stimmung für einen solchen Anschlag war schon lange da. Heute tritt der Antisemitismus offener zutage.“ roga