: Deutsche Leinen für Europas Waffenhändler
■ Richtlinien für Rüstungsexporte: Britische Vorschläge für deutsche EU-Präsidentschaft / Geheimes Gremium trifft diese Woche Vorentscheidung
Bonn (taz) – Während Rüstungsproduzenten über Staatsgrenzen hinweg international zusammenarbeiten und sich für ihre Interessen stark machen, müssen sich Gegner unkontrollierten Waffenexports und Bürgerbewegungen in ihrer Arbeit meist auf das eigene Land beschränken. Die britische Organisation „Saferworld“ will dieses Manko überwinden. In Gesprächen mit Bonner Ministerien und allen Bundestagsparteien bemühen sich Mitarbeiter gegenwärtig um deutsche Unterstützung für ihre Ziele: Nach der Übernahme der Präsidentschaft der Europäischen Union (EU) im zweiten Halbjahr 1994 soll die Bundesregierung sich für eine Anpassung der EU-Rüstungsexportrichtlinen an die strengeren deutschen Regeln stark machen.
Mit der euphemistischen Parole von der angeblich notwendigen „Harmonisierung“ innerhalb der EU kämpfen Bundestagsabgeordnete der Union seit Monaten für die Aufweichung deutscher Exportrichtlinien. Auch „Saferworld“ spricht von „Harmonisierung“, versteht im Gegensatz zu den CDU/CSU-Politikern und zu Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) darunter aber eine Verschärfung der Regeln innerhalb der EU. Die deutsche EU- Präsidentschaft bietet nach Ansicht des Saferworld-Beraters und Oberhaus-Abgeordneten Lord Frank Judd die einmalige Chance, auf dem Feld der europäischen Rüstungsexportkontrolle große Fortschritte zu erzielen. Mit dem von deutschen Friedensgruppen mißtrauisch beobachteten politischen Gewicht der größeren Bundesrepublik will Judd arbeiten: Falls die „führende Nation in Europa“ die Initiative ergreife, würden die die Regierung Major mitziehen, weil die britische Öffentlichkeit für das Thema im Moment sehr sensibel sei, sagt der ehemalige Staatssekretär im Londoner Verteidigungsministerium voraus. Dann könnten auch andere EU- Regierungen überzeugt werden.
In Zusammenarbeit mit der deutschen Gruppen will Saferworld in der Bundesrepublik eine intensive Diskussion zum Rüstungsexport anschieben. Bis heute, so kritisiert Saferworld-Forschungschef Paul Eavis, habe die deutsche Regierung die Vereinheitlichung der Rüstungsexport- Richtlinien noch nicht als Aufgabe für die EU-Präsidentschaft angenommen.
Saferworld versteht sich als unabhängige, parteilose Gruppe von Spezialisten, die Lobby- und Forschungsarbeit für vernünftige Sicherheitspolitik betreibt und die hohen Verteidigungsausgaben kürzen will zugunsten einer an Menschenrechten orientierten Umwelt- und Entwicklungspolitik.
Eines der Haupthindernisse beim Aufbau einer wirksamen Kontrolle des Waffenhandels, so heißt eine Saferworld-These, ist die Geheimhaltung im Entscheidungsprozeß.
Laut Spiegel entscheidet der Bundessicherheitsrat in dieser Woche über die Grundsätze für Rüstungsexport. Während das Wirtschaftsministerium sich den Wünschen der deutschen Rüstungsindustrie geneigt zeige, warne Außenminister Kinkel (FDP), die Liberalisierung der Zusammenarbeit mit europäischen Partnern konnte die strengen Richtlinien von 1982 aushöhlen. Weder eine Bestätigung des Termins noch der Gesprächsinhalte war gestern vom Wirtschaftsministerium zu erhalten. Lapidare Begründung aus der Pressestelle: Das Gremium tage stets geheim. Hans Monath
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