Kloß im Hals

■ „Diyarbakir - Ich schäme mich ein Jurist zu sein“: Dokumentarfilm auf dem Kurdischen Filmfestival

In einer leichten Hügellandschaft, kaum hundert Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, liegt Diyarbakir, die offizielle Hauptstadt Kurdistans. Eine Stadt, die geprägt wird durch die vielen Militärs und die immer wieder wegen der politischen Unruhen in den Medien auftaucht. Hier finden die häufigsten antikurdischen Urteile, Inhaftierungen und Folterungen statt. Die Provinzhauptstadt gilt als Symbol des kurdischen Widerstandes.

Der Dokumentarfilm Diyarbakir – Ich schäme mich ein Jurist zu sein des kurdischen Regisseurs Karaman Yavuz befasst sich mit der Situation des kurdischen Volkes in der Türkei.

In seinem Film kommen die beiden kurdischen Anwälte Serafettin Kaya und Rusen Arslan zu Wort, die drei Jahre lang unentgeldlich oppositionelle Kurden verteidigten. Sie schildern aus eigener Erfahrung die bedrückende Situation einer unterdrückten Kultur in einem totalitären Staat.

Regisseur Karaman Yavuz sagt zu seiner ersten Dokumentarproduktion: „Ich war 15 Jahre alt, als ich selbst in Diyarbakir inhaftiert wurde und Kaya und Arslan kennenlernte.“ Er wurde von beiden bei seinem Prozeß 1971 vor Gericht vertreten. Die nun in der BRD lebenden Anwälte sowie der in Hamburg arbeitende Regisseur haben durchlebt, was sich in Westeuropa kaum vorstellen läßt: Verhaftung und beinahe tägliche Folter, deren Beschreibung allein schon einen Kloß im Hals zurückläßt.

Die Berichte der Anwälte erinnern sehr an die Tradition persischer Märchenerzähler. Umso krasser wirkt der Inhalt des Geschilderten. Sehr schnell wird klar, daß es sich keineswegs um Erdachtes handelt, sondern um erzählte Realität. Diese Gegensätzlichkeit zwischen Form und Inhalt spiegelt sich in der Montage wieder. Zwei filmische Stränge werden subtil miteinander verwoben: Zum einen die starren Kamera-Einstellungen auf die Rechtsanwälte, zum anderen die bewegten Bilder aus Kurdistan, unterlegt mit folkloristischer Musik.

Beide Teile kulminieren in den Aufnahmen vom kurdischen Neujahrsfest: türkische Polizei beim Einsatz inmitten einer feiernden Menschenmenge. Diese Szene wurde mit subjektiver Handkamera gedreht und zieht den Betrachter geradezu ins Geschehen hinein, ein Effekt, der in Dokumentarfilmen leider nicht oft vorkommt.

Karaman Yavuz sagt über diese Szene: „Die Aufnahmen des Newroz-Festes entstanden im März 1993 und waren lediglich deshalb möglich, da eben zu dieser Zeit auch zahlreiche ausländische Journalisten und Filmteams in Diyarbakir anwesend waren, und wir somit in deren Schutz drehen konnten.“

Diyarbakir ist eine sehenswerte Dokumentation, die vom Hamburger Filmbüro gefördert wurde.

Christoph Arndt

Metropolis, 9.5., 17 Uhr; Zeise-Kinos, 17. Mai um 20 Uhr und 18. Mai um 17.30 Uhr.