Von wegen Nähmaschinenmusik

■ Bremen auf den Weg zur Barockopernstadt: Händels „Almira“ am Goetheplatz

Wenn Bremen dann irgendwann einmal begriffen hat, was es an musikalischen Unikaten in der Stadt hat, wenn das Bremer Theater auch fremde Orchester in seinen Orchestergraben läßt und wenn der neue Intendant Klaus Pierwoß sich gar bereit erklärt, den bereits feststehenden Opernspielplan doch noch ein klein wenig zu lüften – dann könnte es in Bremen künftig die feste Einrichtung der Barockoper geben. So schwirrt es zur Zeit in den Köpfen des Bremer Barockensembles Fiori musicali. Der erste Schritt dorthin ist bereits getan: Am Samstag hat Georg Friedrich Händels Oper „Almira“ im Theater am Goetheplatz Premiere.

„Almira“ gilt als Koproduktion von Fiori musicali und dem Bremer Theater. De facto sieht das so aus, daß das Barockensemble, in erster Linie vertreten durch seinen musikalischen Leiter Thomas Albert, nicht nur den Orchesterpart bestreitet, sondern auch den Regisseur und international renommierte SängerInnen akquiriert und engagiert hat. Das Theater hingegen stellt die Probebühne und technisches Personal zur Verfügung. Und übernahm die Werbemaßnahmen, die „spärlichen“, wie die Fiori-Leute meinen. Sie selbst musizieren zum Nulltarif. Die Gagen für Regisseur und SolistInnen hingegen müssen erst noch eingespielt werden. Fiori trägt also das gesamte geschäftliche Risiko. „Das ist für uns ein mächtiger Versuchsballon.“

Indes setzt das Barockensemble auf die Erfolge, die es überall außerhalb Bremens schon eingeheimst hat, und auf seine Interpretationserfahrungen in Sachen Barock. Alle seine Mitglieder entstammen dem Dunstkreis der Bremer Akademie für Alte Musik, sind ehemalige AbsolventInnen oder freie MusikerInnen mit Kontaktstudium. An der Akademie wird vor allem „Historische Aufführungspraxis“ gelehrt. Das heißt, man spielt auf Originalinstrumenten und interessiert sich für die „geistig-geschichtlichen Hintergründe eines Werkes“.

Wie bei Händels „Almira“. Das Erstlingswerk des damals (1705) gerade Neunzehnjährigen ist von Thomas Albert überhaupt erst wieder ausgegraben worden. Aus dem Repertoire des ehemaligen Hamburger Gänsemarkt-Opernhauses, der ersten Bürgeroper in Deutschland, wo einst all die neuen tonalen Einflüsse aus Frankreich, Italien und England zusammenliefen. Auch G. F. Händel war seinerzeit in Hamburg gewesen, besaß gar eine Affinität zur Korrektheit des Nordischen als solchen. So bescheinigt es ihm der „Almira“-Regisseur und Barockoperspezialist Ulrich Peters, in Bremen bereits durch seine 89/90er Inszenierung von Händels „Saul“ bekannt.

Wer allerdings nun unter einer Barockoper in historischer Aufführungspraxis eine „museale“ Theaterproduktion – mit jedem Miederschleifchen an genau der richtigen Stelle – erwartet, der wird sich getäuscht sehen. Ulrich Peters schafft einen Fantasyraum auf der Bühne; „barock“ erscheint an dem strengen Bühnenbild mit viel Blau und Schwarz vor allem das psychedelische Licht. Und die Gefühlswelt seiner Charaktere habe Händel sowieso ganz extrem modern komponiert, sagt Peters. „Ihm geht es um sex and crime am Hofe von Castilien, aber ohne viel Geschwätz.“

In „Almira“ straft denn auch Händel all jene Lügen, die ihn als den schwulstigen Kirchenmusiker kennen wollen. Und diejenigen, die ihm monotone „Nähmaschinenmusik“ attestieren. „Um dies jedoch mit modernen Musikern, mit dem allerorten zur Verfügung stehenden sinfonischen Orchester herausspielen zu können, müßte die ganze Partitur umgeschrieben werden“, beklagt der Regisseur. „Und dann sind die immer noch die langen Bogenstriche der Romantik gewohnt.“ Die Fiori musicali dagegen kennen Eigenarten in Rhythmik, Notation und Spielweise der Alten Musik und stellen außerdem eine starke Continuo-Begleitung mit zwei Lauten, Harfe, Oboe zu Cello und Cembalo. „Da wird der Händel dann plötzlich frisch.“

Aufgepeppt wird diese Frische in „Almira“ zusätzlich durch das „BarockTanzTheater Bremen“, das mit höfischen Tänzen für noch mehr Kurzweiligkeit sorgt. Und ein original barockes Pausenintermezzo ist versprochen. Silvia Plahl

Premiere am 7.5., 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz