Warm, herzlich, offen

■ Warum man in fucked up Germany gewisse Dinge eben einfach nicht richtig versteht: Ein Gespräch über indische Identität mit der Regisseurin von „Bhaji on the Beach“, Gurinder Chadha

taz: Verstehen Sie Ihre Filme als eine Art „Hauspostille“ für junge britische Asiaten aus der Nachbarschaft?

Gurinder Chadha: Zu Hause fühle ich mich dort, wo es einen indischen Laden an der Ecke, eine Dönerbude auf der anderen Seite und einen chinesischen Imbiß gibt. Das habe ich schon in den Produktionsnotizen gesagt, und wenn Sie die gelesen hätten... Jedenfalls ist London eben nicht ghettoisiert, junge Asiaten leben hier in dem sicheren Gefühl, dazuzugehören. Natürlich haben diese Leute den meisten Spaß an meinen Filmen, aber darüber hinaus bedienen sie einen Mainstream, und sie sind eben sehr – britisch.

Ich repräsentiere eine neue Stimme, die man bislang nicht gehört hat, das wollen auch Weiße wissen, deshalb ist „Bhaji“ ja so erfolgreich hier. Wenn der Rest des britischen Kinos oft so mit seiner Vergangenheit beschäftigt ist wie James Ivory in allen seinen Filmen, freuen sich die Leute, wenn sie das England von heute wiedererkennen.

Wo würden Sie sich denn selbst im britischen Kino positionieren?

Ken Loach und überhaupt die „Social Realists“ sind mir sehr nah, alles, was ich von ihnen als junges Mädchen gesehen habe, diese kühnen Frauen, dieses „England bei mir um die Ecke“, die 60er Jahre insgesamt. „Bhaji“ ist also auf der einen Seite so sehr ein britischer Film geworden, daß Engländer, wenn sie ihn im Ausland gesehen haben, nach der Vorführung zu mir kamen und sagten, sie hätten Heimweh bekommen. Andererseits habe ich eben ein bißchen indisches Kino dazuaddiert, ein bißchen Melodrama, ein bißchen Götterdonner.

Ganz so reibungslos fügen sich die beiden Motive in Ihrem Film ja nun nicht ineinander.

Leute wie ich versuchen mit der Vorstellung aufzuräumen, daß man freier ist, wenn man „westlicher“ wird, wenn man sich der Tradition entledigt, denn so ist es nicht. Wir sind eben diese komplexen Individuen, wir versuchen, die beiden Welten auszubalancieren. Niemand in dem Film will seine indischen Wurzeln verleugnen oder loswerden, obwohl manches davon mit Vorurteilen beladen ist, zum Beispiel gegen Schwarze. Zum Schluß verstehen alle Beteiligten ihre Situation und die der anderen. Auch der Schwarze lernt am Ende, wie er sich Hashida gegenüber verantwortlich verhalten sollte; also ich hoffe, man nimmt ihn zum Schluß nicht mehr als „schwarz“ wahr.

Nach der Vorführung in Hof sprachen Sie von dem Konzept „Blackness“ als etwas, das in den sogenannten Sixties mal eine Koalition zwischen Schwarzen und Asiaten zusammengehalten hat. Was ist daraus geworden?

Als meine Generation aufwuchs, also in den 60ern,70ern, da begegnete man einem sehr viel schärferen Rassismus, also gab es alle möglichen Allianzen, die nannten sich „Black“, aber das schloß Schwarze, Inder, Iraner oder Chinesen und andere Leute ein. Viele benutzen es immer noch. Innerhalb dieses Zusammenhangs haben wir natürlich unsere eigenen Debatten. Wir hatten keine Sklaverei, die Verbindung zu Afrika ist eine andere als die zu Indien, das macht einen großen Unterschied in der Haltung der eigenen Geschichte gegenüber. Aber das ist unsere Sache, wir müssen diese Differenzen auseinanderfummeln.

Würden Ihre Eltern sich auch als „schwarz“ bezeichnen?

Natürlich nicht, sie sehen sich als Inder. Es gibt auch jüngere, mittelständische Inder, die damit gar nicht einverstanden sind, genauso wie es Schwarze gibt, die finden, daß die Bezeichnung einem Inder nicht zusteht. Inder haben genau die selben Vorurteile gegen Schwarze wie die Weißen. Aus Birmingham kommt Pajhi, ein Inder, der karibische Musik macht; das ist eben diese gemischte community. Die Curry-Häuser in Birmingham sind voller Weißer, da trifft man manchmal kaum Asiaten.

Das kulturelle Band zwischen Schwarzen und Indern ist natürlich einerseits die Erfahrung von Immigrantenkindern, deren Eltern sagen: Wir haben uns für euch abgestrampelt, und so vergeltet ihrs uns. Aber dann ist da der Rassismus als Klammer. Und daß wir so unenglisch sind.

Was heißt das, unenglisch?

Na, eben warm, herzlich, offen. Wir finden eben noch Zeit, Dinge zu tun, die für uns selbst wichtig sind; Familientreffen, Parties, ein größerer Zusammenhang insgesamt. Es ist so eine westliche Vorstellung, daß man immer nur eins haben kann, entweder die Tradition oder die Moderne. Wir sind zweisprachig, bewegen uns in verschiedenen Kulturen wie Fische im Wasser. Die Europäer fühlen sich immer gern überlegen, uns ist so etwas fremd.

In ihrem Film, so scheint es, sind es gerade die Familienbande, die die Frauen knebeln.

Nun, da muß man eben dran arbeiten. Die Sozialarbeiterin hat es geschafft...

Deren Familie taucht ja auch gar nicht auf, und einen Kerl hat sie auch nicht.

Sie ist eben Teil von jedermanns Geschichte und versucht, die ganze Sache zusammenzuhalten.

Interessant, daß es gerade eine vom englischen Staat bezahlte Sozialarbeiterin ist, die die Fliehkräfte in der indischen Gemeinde bündelt!

Was ist denn daran interessant? Das ist doch ganz normal! Für diese Privilegien haben die Gemeinden lange gekämpft.

Worin genau besteht denn nun der Rassismus, dem Sie sich ausgesetzt fühlen?

Was wollen Sie eigentlich von mir? Sie wissen doch, was Rassismus ist, oder? Ich habe keine Lust, ein Interview über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ethnien in England zu führen, speziell mit Deutschen. Ich weiß genau, wie fucked up ihr Deutschen seid in bezug auf Rassismus. Ich dachte, Sie wären hier, um über meinen Film zu sprechen. Mein Film ist ein europäischer Film, ein sehr sorgfältig konstruiertes Werk, und in Italien versteht man das. In Amerika auch. Nur in Deutschland nicht. Das Gespräch führte Mariam Niroumand