IG Medien sind jetzt am Drücker

Tarifkonflikt im Druckbereich steht auf der Kippe / Arbeitgeber lehnen nach gescheiterter Schlichtung weitere Gespräche ab / IG Medien droht mit Ausweitung der Warnstreiks  ■ Von Silvia Schütt

Berlin (taz) – Im Tarifkonflikt um 250.000 Drucker ist nun die IG Medien am Zuge. Deren Vorstand hat gestern den Einigungsvorschlag abgelehnt, den der Schlichter Heinrich Reiter, Präsident des Bundessozialgerichts, am Dienstag nachmittag vorlegte. Statt dessen kündigte die Gewerkschaft weitere Warnstreiks an. Außerdem werde sich am kommenden Montag die Tarifkommission treffen, um das weitere Vorgehen zu bestimmen. Eine Option sei die Urabstimmung.

Einen Flächenstreik schloß Gewerkschaftssprecher Hermann Zoller jedoch vorerst aus. Auch nach erfolgreicher Urabstimmung werde die Gewerkschaft vorsichtig streiken und bei der „Taktik der Nadelstiche“ bleiben, die auch die Gewerkschaftskasse schone.

Die Arbeitgeber, vertreten durch den Bundesverband Druck, haben dagegen die Annahme des Reiter-Entwurfs signalisiert. Dieser sieht unter anderem eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um zwei Prozent ab dem 1. Juli vor. Auf diesen Punkt könnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer offenbar auch einigen, denn „die Löhne sind nicht die Hauptsache“, betonte IG-Medien-Sprecher Hermann Zoller.

Strittig ist dagegen der Manteltarifvertrag, der Vereinbarungen zur Arbeitszeit und möglicherweise zu Beschäftigungsgarantien enthalten wird. Schlichter Heinrich Reiter hatte vorgeschlagen, den jetzigen Manteltarifvertrag bis Ende 1996 zu verlängern. Gleichzeitig sollten Bundesverband und IG Medien sich sofort zusammensetzen, um Änderungen auszuhandeln.

Die IG Medien zeigte sich damit unter der Bedingung einverstanden, daß mit der Vertragsverlängerung eine „außerordentliche“, kurze Kündigungsfrist verbunden ist. Der Hintergrund: Solange ein Tarifvertrag in Kraft ist, gilt auch die Friedenspflicht. Sollten die Verhandlungen über Änderungen stagnieren, könnte die IG Medien dann nicht zum Druckmittel Streik greifen.

Der Fortgang des Konfliktes ist nun ungewiß. Ein von der IG Medien vorgeschlagenes Gespräch „mit oder ohne Schlichter“ am kommenden Montag lehnt der Bundesverband Druck ab. „Herr Reiter hat die Schlichtung für gescheitert erklärt“, so der Geschäftsführer des Verbandes, Peter Klemm, „ein weiteres Gespräch kommt nicht in Frage.“ Der Bundesverband Druck wolle jetzt abwarten.

Währenddessen werden wegen der Warnstreiks auch in den nächsten Tagen Zeitungen in einer Notausgabe erscheinen. Welche Zeitungen betroffen sein werden, blieb indessen unklar. Gestern kamen unter anderem die Süddeutsche Zeitung sowie mehrere Publikationen aus dem Verlagshaus Springer nur in abgespeckter Form in den Handel.

Arbeitgebervertreter Klemm zeigte sich gestern verärgert über das Verhalten der IG Medien bei der letzten Schlichtungsrunde am Dienstag. Gewerkschaftschef Hensche habe die Entgegennahme des Kompromißentwurfes verweigert und mit seiner Delegation kurz darauf den Verhandlungsort verlassen. Nach Darstellung von Gewerkschaftssprecher Zoller habe jedoch die IG Medien „die Warterei und das sinnlosen Hin und Her“ satt gehabt und den Treffpunkt bereits verlassen, bevor das Einigungsangebot vorlag.