Duschen „höchstens tröpfchenweise“

■ Wie eine Wassersparerin von der Wirklichkeit bestraft wurde

So hatte sich Frau Lage-Schulte das nicht vorgestellt. Seit Jahren dreht sie jeden Tropfen Wasser dreimal um, bevor sie ihn endgültig der Kanalisation übergibt. Duschwasser kommt in die Klospülung und chemiefreies Wasser auf die Blumen.

Das Ergebnis: Ein Wasserverbrauch von 8 Kubikmetern pro Jahr, „normal“ sind 40-50 Kubikmeter, sagen die Stadtwerke. Der Dank für ihr umweltbewußtes Verhalten: Eine Wasserrechnung von 739 Mark, was einem Verbrauch von 110 Kubikmetern entspricht! Müßte such doch klären lassen, könnte man denken. Kann aber nicht. Nach langen Streitereien mit der Hausverwaltung ist die Rentnerin jetzt vor Gericht gezogen.

Frau Lage-Schulte wohnt in einer Sozialwohnung der Volksfürsorge. Und die berechnet den Wasserverbrauch nicht danach, was tatsächlich durch den Hahn geflossen ist, sondern gerade so, als ob die MieterInnen jeden Tag die Wohnung gießen würden, nämlich nach Quadratmetern.

Das wußte die Mieterin natürlich vorher. Aber daß in anderen Wohnungen „viermal am Tag gebadet wird“ oder gar „Fremdwäsche“ gewaschen wird, hatte sie vorher nicht für möglich gehalten. Dabei ist die Frau so sparsam wie keine andere: „Ich dusche nicht bei voller Brause, sondern höchstens tröpfchenweise.“

Nach dem ersten Krach um die Wasserrechnung hat die Mieterin auf eigene Kosten einen Zähler einbauen lassen. Eine Investition, die der Rentnerin aber auch nicht zu einer angemessenen Rechnung verhalf. Denn eine privat angeschaffte Wasseruhr muß die VermieterIn überhaupt nicht beeindrucken. Die Volksfürsorge schert VerschwenderInnen und Sparerin über einen Kamm, so steht es schließlich im Mietvertrag.

Über die eingereichte Klage wurde gestern am Bremer Amtsgericht nicht endgültig entschieden. Besonders große Chancen hat die praktizierenbde Grüne allerdings nicht. Schließlich hat sie einen Vertrag unterschrieben, und der ist rechtlich einwandfrei. Das Verfahren ruht und eine außergerichtliche Einigung wird angestrebt. Die Volksfürsorge soll jetzt überlegen, ob sie in Zukunft nach Verbrauch abrechnet. Dem entgegen stehen die immensen Installierungskosten von immerhin 69 Mark pro Wasseruhr (Stadtwerke Bremen). Eine Änderung des Abrechnungsmodus wäre dann wohl erst ab Sommer 1995 möglich.

Die Volksfürsorge hält nicht besonders viel von öffentlicher Auskunft. Schon gar nicht, weil der Fall Lage-Schulte schon im letzten Jahr in Funk und Fernsehen für einige Furore gesorgt hat. Herr Gerke von der Rechtsabteilung: „Am Telefon sage ich gar nichts.“

Gudrun Kaatz