Dutzend-Architektur an einmaligem Ort

■ Grundsteinlegung beim Projekt "Hofgarten am Gendarmenmarkt": einfallslose Architektur und gleichgeschaltete Fassaden an historischer Örtlichkeit verstörte selbst den Regierenden Bürgermeister

Bei Berliner Bauvorhaben geht nichts mehr ohne Superlative. Nach der größten Baugrube nun die tiefste. Der abgründige Krater, von dem hier die Rede ist, liegt hinter dem Schinkelschen Schauspielhaus. Achtzehn Meter unterhalb des Straßenniveaus. Dort unten fand gestern die Grundsteinlegung für das neue Hotel- und Bürozentrum „Hofgarten am Gendarmenmarkt“ statt. Vier Geschosse mußten der Regierende Bürgermeister und der US-Botschafter Richard Holbrooke, die Architekten, Baudirektor Hans Stimmann, Investoren sowie 500 Gäste über eine schwankende Leiter in die Tiefe steigen: eskortiert von Sicherheitsbeamten und Betonarbeitern, umgeben von Baggern, Stahlgerippen und einem ausgegrabenen 50.000 Jahre alten Mammutknochen.

Auch das Grubenfest selbst hätte nicht schöner sein können: Fotos, alte Münzen und Pläne und anderes legten die Geladenen als „Grundsteinfüllung“ ab. „Zauberhafte, wunderbare Stücke. Ein Kaleidoskop des typischen Berliner Optimismus wird einbetoniert“, schwärmte der Architekt Jürgen Sawade, einer der Hofgarten-Baumeister. Musik ertönte. Das Buffet wurde gestürmt. Eine Blonde knickte ihren Absatz ab wurde vielarmig gestützt. „Great“, es war so richtig nach dem Geschmack des amerikanischen Botschafters.

Es hätte nicht schöner sein können – erschienen nicht die Architekturen als Superlative ohne Tiefgang. Dort, wo einst der Dichter E.T.A. Hoffmann die Nächte durchsoff, ist geplant, fünf Neubauten mit 50.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche (BFG) um einen begrünten „Hofgarten“ entstehen zu lassen. Das Ensemble schließt gemeinsam mit drei Altbauten dann den „Block 208“ im Karree Friedrich-, Französische, Charlotten- und Behrenstraße. Auf dem 8.400 Quadratmeter großen Gelände beabsichtigt der amerikanische Investor Gerald Hines/ Texas, einen 550 Millionen Mark teuren „Luxuskomplex“ für ein Hotel (Architekt Josef Paul Kleihues), Bürohäuser mit Geschäften (Hans Kollhoff und Jürgen Sawade) sowie 45 Appartements (Max Dudler) zu bauen. An dem „geschichtsträchtigen Ort“ werden die achtstöckigen Blockrandbebauungen mit zurückgesetzten oberen Staffelgeschossen „von individuellem Charakter sein“, wie Jürgen Bischoff, Geschäftsführer der Deutsch-Hines sagte: „Jedes Haus erhält sein eigenes Gesicht, bleibt funktional und architektonisch autonom. Den gemeinsamen Rahmen und die Verbindung zur historischen Substanz erhalten die Gebäude über die an die Tradition angelehnte Formgebung und die Natursteinverkleidung.“

Daß dem kaum so sein wird, merkte selbst Eberhard Diepgen. Die glatten Fassaden, die gleichgeschalteten Formen, der einfältige Rücksprung zur Überwindung der Traufhöhe auf den Ansichten machten den Regierenden irgendwie stutzig: „Nicht jedes Straßenloch ist eine Attraktion“, sagte er. „Die neuen Gebäude werden ihren Bezug zu den Resten des Klassizismus noch zeigen müssen.“

Der Block 208, so krittelten zwei Architekten am Rande, sei heute baulich ein „erbärmliches Stück“. Die Neubauten indessen schafften es wenig, dies zu verändern. Kolossal, abweisend und fast ohne jeden Strich zeitgemäßer Architektursprache zögen „Kollhoff und Co.“ simpel ihre rechten Winkel, als befänden sie sich auf dem Exerzierplatz und die Berliner Häuser seien ihre Soldaten. Von Individualität und eigenem Gesicht keine Spur. Im Vergleich zum Schauspielhaus Schinkels, jenem sparsamen preußischen Klassizisten, auf den sich die vier Architekten immer wieder berufen, wirke die sogenannte „Strenge“ der Blöcke nur noch „blödsinnig“. Dem Superlativ ist nichts hinzuzufügen. Rolf Lautenschläger