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Bundeswirtschaftsminister Rexrodt verspricht der Orwo-Belegschaft, ihre Stadt zum Sonderfördergebiet zu erklären / Auch das Land will helfen  ■ Von Eberhard Löblich

Wolfen/Magdeburg (taz) – Günter Rexrodt kam im Morgengrauen. Aber auch der Bundeswirtschaftsminister konnte auch keine Hoffnung verbreiten. Die Treuhand hat in der vergangenen Woche die endgültige Abwicklung von Orwo bekanntgegeben. Nicht zum ersten Mal, aber diesmal wohl endgültig. Letzte Gelegenheit für den Liberalen, sich an Ort und Stelle „ein eigenes Bild von der Situation des Unternehmens zu machen“.

Nach Treuhand-Schätzungen macht Orwo derzeit Verluste in dreifacher Höhe des Umsatzes. Die Treuhand selbst war in den Verhandlungen mit dem Investoren-Konsortium um den Schweizer Kaufmann Mario Hauri nicht zu einem längerfristigen Verlustausgleich bereit. Hauri selbst wollte neben den geplanten Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe nicht auch noch diese Riesenverluste tragen. Zumal der Konkurrent Kodak mit der angekündigten Einführung einer neuen Filmtechnologie 1997 einen technologischen Vorsprung habe, den auch eine modernisierte Filmfabrik kaum aufholen könne.

Aber Rexrodt betonte gestern auf der Belegschaftsversammlung, daß die Privatisierung nicht am fehlenden Geld der Treuhand gescheitert sei. Kein Wort mehr davon, daß schon vor Jahren die Treuhand dringend notwendige Mittel zur Modernisierung der Filmfabrik verweigerte. Die Modernisierungspläne der Orwo-Geschäftsleitung hätten dem Prinzip der „investorneutralen Investitionen“ widersprochen, hieß es. Weil er nicht ganz mit leeren Händen kommen wollte, stellte Rexrodt den Orwo-Werkern zumindest in Aussicht, Wolfen zum Sonderfördergebiet der Bundesregierung zu machen – möglicherweise. Damit erhielten Investoren als Anreiz zur Ansiedlung in der Region Sonderkonditionen, die über das übliche Maß hinausgehen. Fraglich ist allerdings noch, wer diese Sonderkonditionen nutzen soll, wenn der örtliche Großabnehmer als wesentlicher Marktfaktor ausfällt. Zahlreiche mittelständische Unternehmen, die sich rund um die Filmfabrik angesiedelt haben, sind auf Gedeih und Verderb vom Fortbestand der Filmproduktion abhängig.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Christoph Bergner klammert sich wie die Orwo-Geschäftsleitung und ihr Betriebsrat nach wie vor an jeden Strohhalm. Die von der Treuhand angekündigte Abwicklung der Filmfabrik müsse noch nicht unbedingt das Aus für eine Gesamtprivatisierung bedeuten. Sie zwinge, auch über Teilprivatisierungen nachzudenken. Die Treuhand rechnet, daß durch solche Ausgliederungen lediglich 180 bis 250 der jetzt noch knapp 1.000 Arbeitsplätze zu erhalten seien. Mit Geschäftsleitung und Betriebsrat von Orwo habe die Landesregierung ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, sagte Bergner gestern in einer Regierungserklärung zur Lage der Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt vor dem Magdeburger Landtag. Gemeinsam wolle man nach Investoren für eine Gesamtprivatisierung suchen. Gleichzeitig will die Landesregierung eine unabhängige Unternehmensberatung beauftragen, die prüfen soll, ob und wie eine Teilprivatisierung möglich ist.

Der Opposition warf Bergner vor, gerade am Beispiel Orwo „die Treuhand gern zum Agenten der Bundesregierung und zum verlängerten Arm westlicher Konzerne“ zu verzerren. Aber selbst Sprecher der Regierungsfraktionen, so zum Beispiel der Wolfener CDU-Abgeordnete Uwe Schulze, warfen der Breuel-Behörde im Zusammenhang mit der gescheiterten Orwo-Privatisierung „Mißmanagement“ vor.

Schlecht beraten erscheint der Landesregierung insbesondere der Investor Mario Hauri. Der ließ die Wirtschaftlichkeit von Orwo ausgerechnet durch den Konkurrenten Kodak prüfen. Kodak-Manager hatten lediglich Interesse an einigen der Orwo-Markenzeichen bekundet. So kauften sie den Namen „X-Ray“ für den Orwo-Röntgenfilm. Zwar gelang es Treuhand und Orwo-Geschäftsführung, das überlebenswichtige Markenzeichen wieder zurückzukaufen – für ein Vielfaches des ursprünglich dafür eingenommenen Geldes.