Schwarzweiße Quote

■ Autonome Frauenprojekte streben Stellenquotierung für Immigrantinnen an / Die Verbindlichkeit ist noch umstritten

Lichterketten und antirassistische Lippenbekenntnisse genügen nicht. Doch wie läßt sich der multikulturelle Anspruch der Alternativszene in der Praxis umsetzen? Auch in den Frauenprojekten arbeiten nur wenige Immigrantinnen und Flüchtlingsfrauen, noch dazu haben sie in der Regel die schlechter bezahlten und weniger abgesicherten Jobs. Dies zu verändern hat sich die Arbeitsgruppe Antirassismus des Arbeitskreises Autonomer Frauenprojekte zum Ziel gesetzt.

Seit drei Jahren leisten die zwölf Frauen Überzeugungsarbeit für eine Antirassismusvereinbarung. Eine Satzungsänderung soll die 47 Mitgliedsprojekte verpflichten, freiwerdende Stellen bevorzugt mit „Schwarzen“ Frauen zu besetzen. Dieser Begriff, der sich in der Antirassismusdebatte durchgesetzt hat, schließt Immigrantinnen, Flüchtlinge, Afrodeutsche und Jüdinnen ein.

Bei einer Mitgliederversammlung der Frauenprojekte im April zeichnete sich zwar eine Mehrheit für eine Quotierung ab, doch die Details blieben umstritten. Nach der Vorstellung der Arbeitsgruppe sollen in Frauenprojekten mit überwiegend „Schwarzen“ Besucherinnen mindestens 51 Prozent „Schwarze“ Mitarbeiterinnen arbeiten. Für Projekte mit überwiegend oder ausschließlich „Weißen“ Besucherinnen schlagen sie eine Quote von 30 Prozent vor. Doch dies geht einem Teil der Frauen aus den Mitgliedsprojekten zu weit. Sie halten eine Quote von mindestens 20 Prozent für ausreichend.

Strittig ist auch, ob die Projekte die Quotierung erfüllen „müssen“ oder ob es beim unverbindlichen „sollen“ bleibt. „Die Projekte haben Angst vor Verbindlichkeit“, stellt Fahineh Pourilyaee von der AG Antirassismus fest. Das greife zu stark in die Autonomie der Projekte ein, habe es geheißen. Oder: Die Selbstverpflichtung zur Quotierung der Arbeitsplätze sei mehr als politische Aussage zu verstehen. Eine starre Regelung sei kaum zu erfüllen, weil es – angeblich – nicht genügend qualifizierte „Schwarze“ Bewerberinnen gebe.

Eine enttäuschende Reaktion, finden die Frauen der Arbeitsgruppe. Noch dazu inkonsequent, denn wenn es um frauenpolitische Gleichstellung gehe, werde die Soll-Form immer heftig kritisiert. „Wenn die Soll-Formulierung verabschiedet wird, bedeutet dies eine Aushöhlung der Antirassismusvereinbarung“, schreibt Antje Fahrenholz, eine „Weiße“ Praktikantin beim AK Autonomer Frauenprojekte in einem offenen Brief. Bei einer politischen Willensbekundung dürfe es nicht bleiben. „Wir neigen aber dazu, auf den Kompromiß einzugehen“, sagt Pari Dastmalchi. Zusammen mit Graciela Concha Pineda hat sie eine Studie über die Beschäftigung „Schwarzer“ Frauen in den Mitgliedsprojekten des Arbeitskreises durchgeführt. Dabei stellten sie zwar einen „überraschend hohen“ Anteil von 16,3 Prozent „Schwarzen“ Mitarbeiterinnen fest. Sie sind allerdings zum großen Teil in zwei Projekten „Schwarzer“ Frauen beschäftigt.

Auch bei der Verteilung der festen Stellen ergibt sich ein Ungleichgewicht: nur 12 sind mit „Schwarzen“, aber 81 mit „Weißen“ Frauen besetzt. Trotz des Anspruchs der Frauenprojekte, für „alle Frauen“ dazusein, richten nur wenige Projekte ihre Angebote direkt an „Schwarze“ Frauen.

Sieben Projekte haben bereits aus eigenem Antrieb mit einer Quotierung begonnen, haben die selbstgesetzten Quoten überwiegend jedoch noch nicht erreicht. Bei der Beantwortung des Fragenbogens werden auch Widersprüche deutlich. So geben sich die Projektfrauen bei den universalen politischen Fragen kämpferisch und nennen als Ziel die „Durchsetzung von Fraueninteressen weltweit“.

Bei den eigenen gesellschaftspolitischen Handlungsmöglichkeiten wie der Quotierung bleiben sie aber ambivalent. „Wir würden ja gerne ... aber“ ist die überwiegende Haltung zur Quotierung.

Dennoch trägt die seit Jahren geführte Rassismusdebatte in der Frauenbewegung auch Früchte. Die Einsicht, daß es „Machtverhältnisse (gibt), die nicht dadurch überwunden werden, daß man unter einer anderen Form der Unterdrückung gemeinsam leidet“, setzt sich allmählich durch. Dies hat sich auch darin niedergeschlagen, daß die Gremien des AK Autonome Frauenprojekte inzwischen quotiert sind. Im Vorstand und in der Bewerbungskommission sind „Schwarze“ Frauen seit kurzem sogar in der Mehrheit. Auch wenn dies zum Teil der Gremienmüdigkeit „Weißer“ Frauen geschuldet ist, ist es eine positive Entwicklung. Am 19. Mai wird eine außerordentliche Mitgliederversammlung darüber abstimmen, inwieweit künftig auch die bezahlte Arbeit quotiert wird.

Dabei verstehen die Frauen der AG Antirassismus die Quotierung nur als ersten Schritt zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit. „Wir erhoffen uns davon, daß sich mittelfristig auch die Arbeitskonzepte und Angebote der Projekte verändern“, sagt Malena Laucero. Wenn „Schwarze“ Frauen in den Projekten arbeiten, veränderten sich erfahrungsgemäß auch deren Beratungsangebote und Veranstaltungen. Seit das Feministische Frauengesundheitszentrum eine „Schwarze“ Mitarbeiterin habe, habe das Projekt viel mehr Zulauf von „Schwarzen“ Frauen. Dorothee Winden