■ Versöhnung heißt den Kurden recht geben
: Es gibt nicht immer eine Einigung

Bei den sogenannten „Kurdenprozessen“ in der Bundesrepublik Deutschland suchen die Gerichtsvorsitzenden und Staatsanwälte, vor allem aber die Kommentatoren immer mal zu erkunden, ob es denn nicht möglich sei, die feindlichen Seiten zu einer „Versöhnung“ zu bringen und damit „den ganzen gegenseitigen Terrorismus überflüssig zu machen“. Es ist, so scheint mir, eine typisch deutsche Forderung, und sie kann auch nur dort hochkommen, wo man weder eine Ahnung hat, was denn in einem derartigen Krieg passiert, noch was Versöhnung bedeuten müßte.

Zum Versöhnen gehören nämlich nicht nur zwei, sondern auch eine Einigung, worüber man sich denn versöhnt. Einfaches Vergessen oder gegenseitiges Wundenlecken reicht nicht aus, die Verletzungen schmerzen oft noch nach vielen Generationen so stark, daß man beim Aufstehen jeden Morgen daran erinnert wird. Es müßte schon eine übermenschliche Kraft dazukommen, das, was einem die andere Seite angetan hat, mit dem aufzurechnen, was Leute von uns den anderen zugefügt haben. Das aber würde weder den eigenen Wunden den Schmerz nehmen noch unsere Kinder von Schmerz befreien. Es klappt also nur, wenn man die Ursachen des Schmerzes beseitigt.

In unserem Falle, dem der Kurden, heißt das aber etwas ganz anderes, als es etwa bei einem gesellschaftsinternen Terrorismus bedeutet: der hat es insofern leicht, als er „eine historische Phase für überwunden erklärt“, wie etwa Häftlinge aus der RAF oder den Roten Brigaden. Wir aber reklamieren nicht soziale oder politische Veränderungen, sondern schlichtweg unser eigenes Land.

Schlimm genug, daß das international als Terrorismus eingeschätzt und nicht nach internationalen Konventionen über den Krieg behandelt wird. Noch schlimmer aber, daß viele glauben, mit einem einfachen Händedruck sei all das Leid zu beseitigen, das wir durchgemacht haben. Enden könnte die Sache tatsächlich nur mit einer Wiedererlangung unserer Souveränität, und das heißt, daß die türkische Regierung die Hoheitsansprüche fallen läßt.

Dann aber wäre mit der „Versöhnung“ auch die Trennung da – und insbesondere wäre dann klargelegt, daß unser Kampf kein Terrorismus, sondern ein legitimer Befreiungskampf war. Versöhnung hieße also uns recht geben.

Und schon höre ich: Beim Versöhnen müsse jeder nachgeben, dem anderen entgegenkommen. Aber worin soll ein Volk entgegenkommen, dem man seine Hoheit genommen hat? Es gibt nicht ein bißchen Hoheit, sondern nur die gesamte Souveränität. Karmala A.

Die Autorin hat eine kurdische Mutter und lebt aus Sicherheitsgründen nach längerem Aufenthalt in Deutschland nun in Oberitalien.