"Gangstern Paroli bieten"

■ Modellprojekt im DDR-Promi-Dorf Wandlitz / Polizei sucht "Partner"

Wandlitz (taz) – Aufmerksam lauscht Karl-Heinz Lüders den Worten der Eberswalder Polizeipräsidentin Uta Leichsenring. „Ohne die Bürger geht die Gewährleistung der Ordnung nicht“, sagt diese etwas umständlich. Bürger Lüders reibt sich zufrieden die Hände.

Denn an diesem Donnerstag abend findet im Wandlitzer Rathaus die erste Sicherheitsversammlung im ganzen Land Brandenburg statt. In dem weltberühmten Dorf, wo einst Erich Honecker und seine Parteifreunde streng abgeriegelt wohnten, sucht jetzt die Polizei „Sicherheitspartner“ zur Verstärkung ihrer Arbeit. Innenminister Ziel (SPD) hatte Anfang der Woche zu diesem Modellprojekt in zehn Gemeinden geblasen, und Wandlitz wurde „seiner ländlichen Struktur“ wegen ausgewählt. „Wohl eher um die bereits bestehende Bürgerwehr in den Griff zu kriegen“, meint ein Polizeibeamter. Denn seit über zwei Jahren gehen selbsternannte „Dorfwächter“ nachts in Wandlitz auf Patrouille, obwohl die Kriminalitätsrate im Vergleich zu anderen Dörfern immer sehr niedrig war und im vergangenen Jahr sogar um weitere 17 Prozent sank.

Das Interesse der Wandlitzer an der Versammlung ist gering, das der Medien aber groß. Nur etwa 20 Dorfbewohner sitzen in dem zugerauchten Saal, darunter auch Lüders. Der gelernte Ingenieur ist froh, daß der Bürgermeister ihn auffordert, das Wort zu ergreifen. Er erhebt sich, und alle Fotografen richten ihre Objektive auf den ordnungsliebenden Lüders. Der Mann ist bekannt, er hat Erfahrung im Schnüffel-Metier. Seit vier Jahren arbeitet er „freiwillig“ für das Ordnungsamt, darf sogar „Knöllchen“ verteilen.

Doch der Mann hat ein Problem: „Ich bin Anwürfen der Umgebung ausgesetzt“, klagt er, denn „man macht ja auch nicht vor den Nachbarn halt“. Er werde nicht mehr gegrüßt und als „Wichtigtuer“ beschimpft. Aber Dorfsheriff will er trotzdem werden, vorausgesetzt, die Polizei sorge endlich dafür, daß die Nachbarn ihn nicht weiter anfeinden. Das verspricht die Polizeichefin gerne, denn „wir wollen doch eine gute Zusammenarbeit mit unseren ehrenamtlich tätigen Sicherheitspartnern“. Zackig springt ein junger Mann aus der letzten Reihe auf. Mit dem Kopf vor dem Wandlitzer Wappen ruft er: „Wir sind gekommen, um den Gangstern Paroli zu bieten. Auch ich bin dabei.“ Keiner lacht. Der tatenhungrige Tischler erinnert die Versammlung an die bayerischen „Bürgerwachten“. Die hätten auch für Ordnung in ihren Dörfern gesorgt.

Doch so einfach wird das nicht werden. Denn die Brandenburger Hilfspolizisten sind nur mit einer Taschenlampe und einem Funktelefon ausgestattet und müssen im Notfall die Polizei rufen. Sie dürfen nicht einmal die Personalien feststellen. Der Schutzbereichsleiter vom nahe gelegenen Bernau, Siegfried Scheefeld, tröstet die Einsatzfreudigen: 45 Prozent der Tatverdächtigen würden doch in der Gemeinde wohnen, in der die Straftat begangen wurde und seien den „Partnern“ bekannt. Scheefeld erteilt dafür die Erlaubnis zum Ausspionieren der Nachbarn: „Die Sicherheitspartner müssen Hinweise zu potentiellen Gruppen geben, die in der Nachbarschaft leben.“

Ein Bürger meldet sich zu Wort. „Man muß auch mit den Schülern arbeiten“, meint der ältere Herr. „Zum Beispiel in den Pausen das Rauchen in den Ecken verbieten.“ Die Polizeipräsidentin ist auch damit einverstanden.

Drei Bürger haben an diesem Abend ihre Bereitschaft zum Schnüffeln signalisiert und müssen jetzt ein Bewerbungsformular ausfüllen. Bis zur nächsten Versammlung sollen noch fünf weitere „Partner“ gefunden werden. Hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi sind nicht gerne gesehen, IMs und ehemalige freiwillige Helfer der Volkspolizei schon. „Gegauckt“ werde keiner, meint die Polizeipräsidentin. „Das ist eine Sache des Vertrauens.“ Lüders nickt beflissen und irgendwie ein bißchen erleichtert. Anja Sprogies