Erbhöfe der Kunst

■ Berlin erlebt dramatische Einbrüche seiner kulturellen Institutionen / Rolle der Museumsinsel überdenken

Die Kulturlandschaft Berlins steht vor einem risikoreichen Umbruch. Erbhöfe der Kunst und Wissenschaft sollen abdanken, Sammlungen neu verteilt werden. Dramatische Einbrüche ihrer kulturellen Institutionen erleben derzeit beide Teile der Stadt. Das Schiller Theater und die Freie Volksbühne „im Westen“ mußten bereits ihre Pforten schließen. Die Dahlemer Museen verzeichnen einen Besucherrückgang. Die ägyptischen Ikonen sowie die Malereien der Romantik im Charlottenburger Schloß werden auf die Museumsinsel verlagert. Immer weniger Atelierstandorte und Kulturämter spiegeln sich im gesamten Stadtgrundriß wider.

Selbst traditionelle Standorte haben es schwer. Das kulturelle Profil der Friedrichstraße, einst die Meile für Varietés, Kinos und Theater, drohe im Bauboom zu ersticken, sagte der Maler Xago Schröder auf der 40. Runde des Stadtforums. Schuld an der Misere hätten die leeren Kassen der öffentlichen Hand, deren Defizite dazu führten, daß weitere Kunstorte im Stadtgrundriß „ausgetrocknet werden“. So liefen alle früheren Musikschulen Ostberlins Gefahr, geschlossen oder privatisiert zu werden. Statt neue Konzepte und alternative Standorte zu entwickeln, würden „städtebaulich historische Stiche koloriert“. Statt kreativ zu sein, schreie jeder nur nach mehr Geld. Schröder: „Leere Kassen dürfen nicht leere Köpfe produzieren.“

Kunststätten müßten dezentral geplant und bezirklich organisiert werden, sagte Kultursenator Ulrich Roloff-Momin. Nur so könnten Kunst, Kultur und Wissenschaft in Kommunikation mit den Bürgern treten. Notwendig sei daher, die urbane Strategie für Kunst- und Kultureinrichtungen fortzuschreiben. Von der Stadt abgehängte Plätze wie etwa das Kulturforum schafften keine kulturellen Milieus.

Zugleich plädierte der Kultursenator für den Ausbau der Berliner Mitte als Kulturstandort, bildeten doch die Museumsinsel und ihre Sammlungen das zentrale kulturelle Profil der Stadt. Dies zu stärken, bereitet augenblicklich Schwierigkeiten. Gerade beendeten die Staatlichen Museen einen Bauwettbewerb für das Neue Museum, der viel zu klein und piefig daherkommt. Unklar ist ebenfalls, welchen Anteil sich die Staatlichen Museen vom Gelände der benachbarten Friedrich-Engels-Kaserne abschneiden dürfen. Auch erscheint das Programm der Museumsinsel, das die Wiederherstellung der Sammlungen im Geiste des 19. Jahrhunderts auf seine Fahnen geschrieben hat, wie der Archäologe Wolf-Dietrich Heilmeyer erinnerte, mehr als fragwürdig. Die Rolle der Museen in der Stadt sowie ihre Funktionen „haben sich entscheidend geändert“, kritisierte der Architekt Hans Müller die konservative Haltung. Es komme darauf an, nach anderen Bedeutungen und Funktionen einer Museumslandschaft zu suchen. In diese müsse das Kulturforum miteinbezogen werden. Rolf Lautenschläger