Heuchlerisches Gejammere

■ betr.: „Tod eines Rennfahrer“ (Ayrton Senna), taz vom 3.5.94

Da werden alljährlich ein paar tausend Menschen allein in Deutschland durch das Mordwerkzeug Auto des Sensenmanns Beute und tauchen allenfalls als dreizeilige Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes in den Zeitungen auf, aber wenn sich dann so ein Oberheizer mit über 300 km/h vor 'ne Wand klatscht, ist alle Welt tief betroffen, gibt's Sondersendungen, endlose Diskussionen über irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen etc. blabla. Dabei geht's doch nur um die Sensation – auf der Rennstrecke wie in den Medien.

Und irgendwie sind da doch wohl 'ne Menge Leute, die viel dafür zahlen, um zu sehen, daß der eine oder andere dabei über die Klinge springt. Also laßt endlich das heuchlerische Gejammere.

Die Jungs, die da mit einer Höllengeschwindigkeit durch die Gegend rasen, wissen, daß sie dabei draufgehen können. Also was soll's, kriegen ja auch einen Haufen Kohle dafür. Das „Volk“ will „Brot und Spiele“, und alle Gladiatoren können die Arena nun mal nicht lebend verlassen. Für die Zuschauer, die dabei eventuell was abkriegen, habe ich genauso wenig Verständnis, denn wer dahingeht um zu sehen, wie diese Geschosse über die Piste donnern, muß damit rechnen, daß irgendwelche Geschoßteile durch die Gegend fliegen.

Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Ich habe den militaristischen Begriff der „Geschosse“ bewußt verwandt, weil auf Rennpisten wie auf „normalen“ Straßen ja Krieg herrscht. Ralf Koch, Gießen