„Wir entthronen Sachsens König“

Sachsens Sozialdemokraten profilieren sich mit „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ und wollen Biedenkopf stürzen / Von einem rot-grünen Reformbündnis halten sie dagegen gar nichts  ■ Aus Dresden Detlef Krell

Die sächsischen Sozialdemokraten wollen an die Macht, und das „mit eigener Kraft“. Auf ihrem Landesparteitag am Wochenende gaben sie sich Mühe, gegenteilige Auffassungen zu zerstreuen. Der SPD fehle der Wille zur Macht, hatte Aussteiger Hasso Düvel seinen Parteifreunden noch am Vortag beschieden. Regionale Interessen und Positionsgerangel seien wichtiger als die Ablösung Biedenkopfs. Der IG-Metall-Bezirkssekretär und designierte Wirtschaftsminister unter Spitzenkandidat Karl-Heinz Kunckel hatte eine Woche zuvor die Wahlkampfmannschaft verlassen und sein Mandat zurückgegeben. Nur 36 von 55 Delegierten des Listenparteitages hatten für seinen dritten Listenplatz votiert.

Dabei ist es vor allem das Verdienst des Hannoveraner SPD- Linken, daß das Regierungsprogramm wenigstens in der Wirtschaftspolitik einigermaßen deutlich Farbe bekennt. Vorschläge der IG Metall, zur Erhaltung der industriellen Kerne, waren in den vergangenen Jahren sogar von der Landesregierung gewürdigt worden, freilich ohne daß diesem Lob entsprechende Taten folgten.

„Arbeit, Arbeit, Arbeit“, lautet die SPD-Botschaft, und vielmehr steht in ihrem Programm nicht drin. Landespartei- und Fraktionschef Kunckel, der zu DDR-Zeiten als Ingenieur bei Carl-Zeiss-Jena und als „Reisekader“ in Algerien gearbeitet hat, führt sächsische Identität ins Feld. „Wir wollen den König von Sachsen entthronen“, verkündet er wagemutig. „Von sächsischen Kochbüchern allein ist noch keiner satt geworden“, teilt er gegen „Landesmutter“ Ingrid aus, einem geflügeltem Wort im Freistaat zufolge „der einzige Mensch, von dem sich Biedenkopf etwas sagen läßt“.

„Integrierte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik“ heißt das von Düvel ins Regierungsprogramm eingebrachte Programmpaket. 250.000 neue industrielle Arbeitsplätze wollen die Sozialdemokraten in den nächsten zehn Jahren schaffen.

Mit Staatsgeldern sollen 500.000 jetzt arbeitslose Sachsen „qualifiziert und produktiv“ beschäftigt werden, vor allem beim Ausbau der Infrastruktur. Treuhandbetriebe werden als Managementgesellschaft zusammengefaßt, mit Finanzen des Bundes saniert und privatisiert. „Kein weiterer Arbeitsplatz in der Industrie darf leichtsinnig geopfert werden“, lautet die Kampflosung des Biedenkopf- Herausforderers.

Privatisierten Betrieben will die SPD mit einem „Feuerwehrfonds“ über „Durststrecken“ helfen. Wirtschaftliche Strategien sollen von dezentralen „Standort- und Strukturentwicklungsgesellschaften“ für die Regionen maßgeschneidert werden. Diese Gesellschaften sollen Verfügungsgewalt über Flächen erhalten, die sie entwickeln und vermarkten können. Ökologie kommt in diesem sozialdemokratischen Krisenmanagement nur am Rande vor: Ablehnung der Autobahnen A 13 und A 83 und darüber hinaus „ökologisches Denken“ nur insofern, als sich damit neue Märkte erschließen lassen.

Sachsens Sozis scheuen vor Grün nicht nur zurück, wenn es um den ökologischen Umbau der Wirtschaft geht. „Wir brauchen noch keine Koalitionsdebatte“, verkündete Kunckel mit dem Optimismus eines Ralleyfahrers. Ideologisch stand ihm Rudolf Dreßler, Mitglied der SPD-Programmkommission, zur Seite. „Nach den Monströsitäten“ des Bundesparteitages von Bündnis 90/Die Grünen sehe er „überhaupt keinen Sinn darin“, über Rot-Grün nachzudenken. Das Programm der potentiellen Bündnispartner bog sich Dreßler polemisch auf zwei Parolen zurecht: Austritt aus der Nato, fünf Mark für den Liter Sprit.

Dreßler streute Optimismus: „Das Angebot an Koalitionspartnern wird größer sein als die Nachfrage“, was ja bekanntlich den Preis senke. Das hörten die unter dem Biedenkopf-Bonus leidenden Sachsen gern. Kunckel bezichtigte die Bündnisgrünen, „erst in das schwarze Bett hüpfen zu wollen und dann mich zu einer Koalitionsaussage zu drängen“. Er hat es nicht verstanden oder er ignoriert bewußt, daß es nicht um Wahlarithmetik geht, sondern um ein Reformbündnis für Sachsen, daß nicht anders als rot-grün aussehen kann.