Fehrfeldrolle rückwärts

■ Über die neuen Kurzfilme und teilweise Vielzukurzfilme der Bremer Fehrfeldstudios, derzeit hie und da zu sehen

Wer einmal spaßeshalber die Zeitmaschine ins Paläozän der Filmgeschichte nähme, käme mitten in den Bremer Fehrfeldstudios heraus und sähe die beiden alten Knochen Achim Hoffmann und Ali Eichelbach, wie sie gerade in einem ausgetrunkenen Bierfaß ihre neuesten 16-Millimeter-Streifchen entwickeln. Ein Wunder, daß hinterher doch immer wieder was drauf ist, und alle Jubeljahre gibt es sogar eine neue Fehrfeldrolle, wo alles aufgewickelt ist, was man abspulen kann.

Mit einem Wort: am Sonntag im Lagerhaus war es mal wieder soweit. Ein gutes Dutzend Kurzfilme, teils von dahergelaufenen Kumpanen, teils von den Meistern persönlich, einer davon wiederum unterteilt in zehn Episödchen, namentlich „Ten tiny poems“ von Achim Hoffmann, und an diesem Film läßt sich gut ersehen, was auch die anderen etwas mühsam macht.

Da gibt es eine wirklich geniale Szene, betitelt „Das sechste Wunder von Pirac-sur-mer“; wir sehen ein trockengefallenes Hafenbecken, und plötzlich tauchen kleine Bagger auf und wuseln und ruckeln im Zeitraffertempo herum wie die Hühner und scharren ungemein aufgeregt nach dem Wasser, wie der Erzähler behauptet, und wuselnde, scharrende Bagger sind natürlich zum Schreien. Dann aber ist wieder lange, lange nichts zu sehen als lauter ebenfalls zeitgeraffte Autofahrten über Berg und Tal und durch fremdländischen Stadtverkehr, und wenn es nur halb so schnell liefe und in Farbe wäre, hätten wir ein stinknormales Urlaubsvideo, und ein langweiliges noch dazu.

Überhaupt wird in fast allen Filmen der Zeitraffer eingesetzt wie nicht gescheit, als könnte man anders kein Leben in diese Geschichten bringen, und lange Zeit kriegt man vom Zauber des Selbstgefilmten nur die Attitüde, nämlich das Verwackelte, das Zerkratzte, das Zappelhafte und den schauerlich schlechten Ton, aber dann taucht doch wieder sowas Köstliches auf wie Eichelbachs Petitesse namens „Auch du sei erleuchtet“, wo zwei Stoiker im Lotossitz einander gegenüber hocken und sich in einem beispiellos kaltblütigen Slowburn gegenseitig und schön der Reihe nach die Ohren absägen, die Zungen abzwicken und die Augen ausreißen.

Diese Filme wollen wir die Vielzukurzfilme nennen; von ihnen gibt es diesmal nicht viele. Bettina Schwarbergs kleine Cartoons gehören dazu, die sie seit Jahr und Tag direkt auf Schwarzfilm kratzt, und auch der Videoclip für die Bremer Band „Pachinko Fake“, in welchem die schönsten Stop-Motion-Tricks vorgeführt werden. Tom Diekmanns Film „The Korean“ gehört nicht dazu; da steht nur ein Koreaner vor einer Mauer und klopft ausländerfeindliche Sprüche, was witzig sein soll und vermutlich v-effektgeladen, aber es ist bloß einfallslos, und so geht es über eineinhalb Stunden hin und her, und die schönsten Filmchen müssen sinnlos warten, bis sie drankommen. Manfred Dworschak

nächste Termine: übermorgen um 22.30 Uhr im „Eisen“ am Sielwall, am Donnerstag um 20 Uhr im Alten Amtsgericht zu Lilienthal und am Freitag um 20.30 Uhr im Schlachthof (Magazinboden)