ADAC meckert, droht und siegt

Verkehrsminister Wissmann will Mautgebühren durch Kfz-Steuer-Senkung kompensieren / Auch SPD buhlt um AutofahrerInnen / AusländerInnen sollen deutsche Betonpisten bezahlen  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – ADAC Motorwelt gehört in Bonn offenbar zur Pflichtlektüre. „Wahnsinn! Wir Autofahrer würden unter einer Riesen-Kostenlawine begraben“, meckert das Blatt über die für 1998 geplante Autobahngebühr. 82 Prozent der „repräsentativ ausgewählten“ Vereinsmitglieder seien dagegen. „Am Wahltag schlägt die Stunde der Wahrheit. Keiner kann sich dann herausreden, er habe die Meinung der Autofahrer nicht gekannt“, so das Clubmagazin.

Die Warnung ist in Bonn angekommen. Gestern beruhigte Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) BlechkistenbenutzerInnen: Eine finanzielle Zusatzbelastung der Autobesitzer sei durch die elektronisch erhobene Mautgebühr nicht geplant. „Autofahren muß auch für den kleinen Mann bezahlbar bleiben. Nachdem vor ein paar Tagen noch von einem Groschen pro Kilometer die Rede war, sollen es jetzt nur noch fünf Pfennige sein. Und vielleicht könne man zum Ausgleich dafür die Kfz-Steuer ein bißchen senken“, sinnierte der Verkehrsminister. Wohl kaum: Denn die fließt in die Kassen der Länder, während die Mautgebühren privaten Autobahnbetreibern zugute kämen. Im Bundesrat gäbe es deshalb für eine solche Lösung keine Mehrheit. Aber ob realistisch oder nicht, ist sowieso nicht die Frage – es herrscht Wahlkampf, und da ist jeder noch so idiotische Vorschlag willkommen. Populär ist nach wie vor die Anti-Ausländerschiene. Wissmann entdeckte gestern nach dem Proteststurm denn auch noch einen Dreh, um auf diese Weise Boden gutzumachen. Da nur die inländischen AutobenutzerInnen Kfz-Gebühren bezahlen, würden auch nur sie durch eine Senkung entlastet. Die FahrerInnen von jenseits der Grenzen aber müßten durch die Maut endlich für die deutschen Teerpisten mitblechen. Auch ein zu Hause gefüllter Tank sei dann kein Ausweg mehr.

Aber bei der „SPD-Opposition“ sollen die lieben AutofahrerInnen ebenfalls nicht verprellt werden. Der Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Klose weist ganz im Einklang mit den geistlosen Wahlplakaten seiner Partei darauf hin, daß jeder fünfte Arbeitsplatz an der Automobilindustrie hänge, eine „Anti-Auto-Stimmung“ also auf keinen Fall zugelassen werden könne. Schon ein Tempolimit gefährdet in seinen Augen offenbar den Absatz deutscher Blechkisten und ist deshalb unzeitgemäß. Zwar lassen die Sozialdemokraten ihre „scharfe Kritik“ an Wissmanns Politik vermelden. In der Sache aber ist von verkehrspolitischer Wende nicht mehr die Rede. „Wir machen keine Politik gegen das Auto“, versichert ein Fraktionsmitarbeiter. Zwar müßten die Kosten des Individualverkehrs im Rahmen der allgemeinen Preissteigerung angehoben werden – aber nur schrittweise und mit Ausgleichszahlungen für PendlerInnen.

Auch die Sozis entdecken eine „Gerechtigkeitslücke“ zwischen deutschen und ausländischen FahrerInnen. Und privat finanzierte Straßenprojekte wollen sie nicht mehr ausschließen.