„Mißhandelt“, „schikaniert“ oder doch gefoltert?

■ Der Abgeordnete Konrad Weiß besuchte die abgeschobene Familie Cetin

Berlin (taz/AP/AFP) – Der Bundestagsabgeordnete Konrad Weiß (Bündnis 90/Grüne) fordert einen Abschiebestopp für KurdInnen in die Türkei. Zwar seien Berichte über die Folterung des im April aus Sachsen abgeschobenen kurdischen Ehepaars Cetin „wahrscheinlich unzutreffend“. Sicher aber sei, daß die Cetins und eines ihrer Kinder bei der Einreise von der Polizei „mißhandelt worden“ seien. Weiß hat die Familie Cetin auch auf Bitte der Zeitung Die Woche am 6. und 7. Mai in Adana (Südtürkei) besucht. Die Woche hatte zuvor ein Interview mit den Cetins veröffentlicht, in dem Ramazan Cetin, der Familienvater, von Folterung mit Elektroschocks berichtete. Ähnliches hatte der Sächsische Flüchtlingsrat bereits Mitte April unter Berufung auf ein Telefongespräch mit der Ehefrau Zübeyde Cetin erklärt. Weiß sagt nun, daß „eine Reihe von Widersprüchen aufgetreten sind, die nicht ausgeräumt werden konnten“. So machte etwa das Außenministerium nach telefonischen Nachforschungen der deutschen Botschaft in Ankara völlig andere Angaben als die Cetins. Die Familie sei nur „schikaniert“ und statt drei Tagen nur zehn Stunden von der Polizei festgehalten worden.

Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Siegfried Martsch (Bündnis90/Grüne) wirft der Bundesregierung unterdessen vor, die „systematischen Folterungen“ von Kurden in der Türkei zu leugnen. Als Beispiel für Menschenrechtsverletzungen an Kurden stellte Martsch den früheren kurdischen Bürgermeister Levent Taysun vor, der zur Zeit wegen seiner schweren Folterschäden in der Bundesrepublik ärztlich behandelt werde.

Ebenfalls kritisiert wurde gestern die Entscheidung der Länderinnenminister, für in die Türkei Abgeschobene künftig einen „Ansprechpartner“ bei der deutschen Botschaft bereitzustellen. Die zentrale Beratungsstelle für Flüchtlingsarbeit in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern teilte mit, daß eine Intervention der Botschaft den Betroffenen ihr Schicksal nicht leichter mache. „Die türkischen Behörden werden sich an diejenigen, die dort berichtet haben, sicher noch länger erinnern.“

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