Nicht mal mehr fünftes Rad

■ Den Beiräten reicht's: Jetzt will man ihnen auch noch an ihr bißchen Geld

Es muß schon einiges vorgefallen sein, daß Bernd Huse, der sonst so ruhige Sprecher des Gesamtbeirates, Sätze sagt wie diese: „Wir sind nicht mehr nur wütend, wir sind enttäuscht – macht euren Mist doch alleine.“ Anlaß ist ein Sparvorschlag von Innensenator Friedrich van Nispen, dessen Ressort die Beiräte angegliedert sind. Van Nispen möchte die 1,8 Millionen, die das Parlament den Beiräten zur Verfügung gestellt hat, um 25 Prozent kürzen.

Erst hat man mit der Direktwahl der Beiräte eine Erwartungshaltung bei den BürgerInnen geweckt – und nun nimmt man ihnen das letzte Geld für politische Gestaltung, klagen die Beiräte. 1,8 Millionen sind zwar wenig, aber damit habe man doch oft einspringen können, wo sonst überhaupt nichts passiert wäre: So haben alle Beiräte für eine Blindenschule Lesegeräte gekauft; eine Altentagesstätte in Kattenturm wird für einen Ausflug zum Vogelpark mit 500 Mark unterstützt, eine Eltern-Kind-Gruppe bekommt eine Anschubfinanzierung, einer Schule greift man für den Bau einer Theaterbühne unter die Arme ... „Die Bürger und BürgerInnen finden doch genau das so feindlich, daß man auf ihre differenzierten Wünsche nicht eingeht. Das tun nur wir Beiräte.“

Die Beiräte befürchten, mit dieser überproportionalen Sparquote bedeutungslos gemacht zu werden. Ohnehin haben sie nur wenige, nämlich genau drei Rechte: das Recht auf Einvernehmen bei verkehrslenkenden und verkehrsbeschränkenden Maßnahmen – das klappt offenbar ganz gut; das Recht auf Umbauten von Straßen und Radwegen aber können sie nicht wahrnehmen, weil es da nur noch einen Nullhaushalt gibt; und das Recht auf Globalmittel, das wird nun heftig beschnitten – obwohl die Beiräte schon einen gut Teil davon für Tempo-30-Schilder ausgeben müssen.

„Dann soll van Nispen doch ehrlich sein und sagen: Ich will die Beiräte nicht. Anstatt sie durch die kalte Küche zu demontieren“, sagt der Gesamtbeirat. Er sieht diese Attacke des FDP-Senators als Fortsetzung der Anti-Beirats-Politik des Bürgerschaftsabgeordneten Magnus Buhlert. Der hatte jüngst den Beiräten und ihren neu erworbenen Rechten in der Verkehrspolitik an den Kragen gewollt.

Damals unter der Alleinregierung der SPD, damals hat man wenigstens guten Kontakt zum Innensenator gehabt, sagen die Beiräte. Der SPD-Senator sei fast zu jedem Gesamtbeiratstreffen gekommen. Heute aber, so Jörg Neitzel (SPD), stellvertretender Gesamtbeiratssprecher, heute sei man nicht nur fünftes Rad am Wagen, sondern gelte wohl als Ersatzwinterreifen irgendwo im Kofferraum.

Überall sonst in der Bundesrepublik versucht man, die demokratischen Kompetenzen weiter nach unten zu verlagern, sagt Ortsamtleiter Mitte/östliche Vorstadt, Hucky Heck: In Nordrhein-Westfahlen etwa diskutiere man über die Direktwahl der BürgermeisterInnen, in Berlin über die Stärkung der Bezirke .. alles, um die Kluft des Mißtrauens zwischen Bevölkerung und Politik zu schließen. „Hier aber faßt der Zentralismus wieder Fuß – und das in einer Ampel mit Liberalen.“ Heute befindet die Deputation für Inneres über den Sparvorschlag. cis