Kiel will Abschiebestopp für KurdInnen

■ ÖTV-Richter sind ebenfalls dafür

Hamburg/Berlin (taz/AP/AFP) Schleswig-Holsteins Innenminister Hans Peter Bull plant einen Abschiebestopp für KurdInnen, unabhängig davon, ob andere Länder mitziehen: „Das Kabinett wird zu prüfen haben, ob die aktuelle Situation den Erlaß eines Abschiebestopps auch im Alleingang rechtfertigt.“ Die Anzeichen mehren sich, daß abgeschobene KurdInnen auch in der Westtürkei Haft und Folter befürchten müßten, so Bull. Er nannte den Fall der am 6. April aus Sachsen in die Türkei zurückgewiesenen kurdischen Familie Cetin. Familienvater Ramazan Cetin hatte der Zeitung Die Woche von Folter mit Elektroschocks nach seiner Rückkehr in die Türkei berichtet. Im Fall Cetin hat gestern auch das Bundesaußenministerium eingeräumt, daß Ramazan Cetin vernarbte Brandwunden habe, die „etwa einen Monat alt“ seien. Dies habe ein Arzt festgestellt, der zusammen mit einem Vertreter der deutschen Botschaft die Familie Cetin in Adana (Südtürkei) besucht habe. Allerdings spricht das Außenamt weiterhin nicht von Folter, sondern von „Anrempelungen“ und „Beleidigungen“.

Der Kieler Innenminister will sich nun für ein einheitliches Vorgehen der Länder einsetzen, andere SPD-Innenminister seien ebenfalls zu einem Abschiebestopp bereit. Allerdings haben einige SPD-Länder wie Hessen oder Niedersachsen die einmalige Möglichkeit eigener sechsmonatiger Abschiebestopps bereits ausgeschöpft. Eine Verlängerung kann nur per einstimmigen Beschluß der Innenministerkonferenz erfolgen.

Zu einem bundeseinheitlichen Abschiebestopp für KurdInnen war es bei der jüngsten Innenministerkonferenz wegen des Widerstands der CDU-regierten Länder nicht gekommen.

Auch die in der Gewerkschaft ÖTV organisierten Richter und Staatsanwälte haben sich gestern gegen eine Abschiebung von KurdInnen in die Türkei ausgesprochen. Allein für 1991 seien 552 Fälle von Folterungen dokumentiert.