Pantheon der Sachlichkeit

■ Architektursommer: Kunsthalle zeigt zwölf Hochhausskulpturen von Oswald Mathias Ungers

Nach der wohlerzogenen Eröffnungsfeier mit Bürgermeisterrede, Freibier und Sonnenfinsternis am Dienstag, sollte mit der Eröffnung der Ungers-Ausstellung in der Kunthalle der erste von drei offiziellen Höhepunkten des Architektursommers (Ungers, Schumacher, Nouvel) erreicht werden. Doch die mit zwölf Gipsmodellen recht spärlich ausgefallene Schau im Kuppelsaal der Kunsthalle ist unter dem Gesichtspunkt einer kritischen Würdigung des Kölner Star-Architekten eine glatte Enttäuschung. Vielmehr wirkt die - getreu den Maximen Oswald Mathias Ungers - in sturer Geometrie angeordnete Präsentation von zwölf Hochhaus-Modellen wie eine Gefälligkeit für den Architekten des Erweiterungsbaus der Kunsthalle.

Um die Diskussion über den ins Raster gegossenen Rationalismus von Ungers ganz auszublenden, präsentiert Kunsthallen-Chef Uwe Schneede seinen Architekten als Skulpteur, plaziert seine farbfreien Formspiele auf Sockeln und verzichtet vollständig auf jede Erläuterung. Insbesondere die städtebauliche Situation von Architektur wird so vollkommen negiert. Innerhalb einer Veranstaltung, welche die öffentliche Diskussion über Qualität und Kontext des bebauten Stadtraumes anregen will, ein etwas merkwürdiges Vorgehen.

Dabei formuliert gerade Ungers mit seinem philosophischen Architektur-Idealismus exemplarische Positionen einer restlos abstrahierten Menschlichkeit, die eine ihm gewidmete Ausstellung zwingend thematisieren müßte. Denn was er als Ergebnis erhält, wenn er aus Platons „Wahrem, Gutem, Schönem“ und da Vincis in Quadrat und Kreis gefesseltem Idealmännchen seine ästhetischen Konstanten ableitet, ist ein Bauprogramm, das eine fehlerlose geometrische Monumentalität in positive Opposition zum handelnden Menschen stellt. Die Verherrlichung der angeblich perfekten Proportion, deren diktatorische Ordnung aus der Mathematik stammt (allerdings nur aus der klassischen Mahtematik), beruft sich zwar auf den Menschen als Maß der Dinge, meint damit aber den unbeweglichen, im Idealmaß erstarrten, den toten Menschen.

Was Ungers Bauten so unverwechselbar gleich macht, ist das von jedem irritierenden Impuls entkleidete Volumen: Quadrat, Kreis, Viereck, Kubus. Sei es beim Torhaus auf dem Frankfurter Messegelände, bei seinen Entwürfen für „Berlin morgen“ 1991 oder bei seinem Kunstbau in Hamburg, das Genom seiner Bauten besteht aus Winkelmaß und Pedanterie. Der Gesellschaft im Fluß stemmt sich Ungers mit „ewigen Gesetzen“ entgegen, die in ihrer reduzierten Form Architektur-Wissenschaft- und Gesellschaftsgeschichte verdrängen, wiewohl sie theoretisch das Gegenteil behaupten. Ungleichgewicht, Chaos, Unschärfe und Diskurs sind aus seiner Architektursprache katgeorisch ausgeschlossen.

Natürlich konnte Ungers mit seiner konservativen Radikalität in der Übergangsphase zwischen Nachkriegsmoderne und dem heutigen architektonischen Freistil eine Orientierung für den ästhetischen Dialog liefern. Auch seine Anregungen der theoretischen Diskussionen in den 70ern und 80ern, die versuchten, Kunstgeschichte und Philosophie dem Architekten dienlich zu machen, waren fruchtbare Momente in Ungers Werk. Heute aber, vom Schleusentor des nächsten Jahrtausends aus betrachtet, erweist sich Ungers starres Konzept in seiner kalten Sachlichkeit als ein rückwärtsgewandtes Dokument der Postmoderne. So gesehen ist das kleine Ungers-Pantheon in der Kunsthalle vielleicht doch nicht die falsche Präsentati-onsform. Till Briegleb

Kunsthalle, bis 26. Juni