Kita „Eichhörnchen“ auch für zivile Kids

■ Wie die Bundeswehr seit der Vereinigung von der Hauptstadt Besitz ergriff / In Gatow will sie nur selten abheben / Verteidigungsminister Rühe drängt es in den Bendlerblock

Der Abzug der Alliierten macht Berlin nicht zur entmilitarisierten Zone. Durch das Potsdamer Abkommen 45 Jahre ausgesperrt, stehen deutsche Soldaten nun bereit, das Vakuum zu füllen. Im Ostteil übernahmen sie Einrichtungen der Nationalen Volksarmee (NVA), deren Präsenz in der Hauptstadt der DDR völkerrechtswidrig war. Im Westen sind allein britische Stützpunkte an die Bundeswehr übergegangen. Darunter die früheren „Montgomery Baracks“, die jetzt Blücher-Kaserne heißen. Dort ist mit dem Jägerbataillon 581 der einzige „Kampftruppenverband“ innerhalb der Stadtgrenze stationiert.

Auch das Gelände des Flugplatzes Gatow übernimmt die Bundeswehr. Dorthin will Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) das Luftwaffenmuseum verlegen, das sich derzeit noch nördlich von Hamburg befindet. Die rund 80 Flugzeuge sollen in den Flugzeughallen Platz finden. Nach Gatow kommt zudem das derzeit noch in Biesdorf stationierte Luftwaffenmusikkorps 4 und die 3. Luftwaffendivision, so Korvettenkapitän Klaus Heermeier von der Bundeswehr-Pressestelle in Berlin. Regelmäßigen Flugbetrieb soll es aber nicht geben, nur gelegentlich werden Hubschrauber landen. Schließlich wird eine Bundeswehrfachschule auf das Gelände ziehen, die ausscheidenden Zeitsoldaten durch Weiterbildung die Rückkehr ins zivile Leben erleichtern soll.

Daß Spandau der einzige Westberliner Bezirk ist, in dem sich die Bundeswehr niederläßt, stört Bezirksbürgermeister Sigurd Hauff (SPD) nicht: „Spandau war schon immer Garnisonsstadt.“ Zudem seien es weniger Soldaten als bei den Briten, auf deren Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen der Bezirk ein Auge geworfen hat. Doch zeigten sich die Bonner Behörden seinen Wünschen „nicht sehr zugänglich“, klagt Hauff. Immerhin habe die Bundeswehr zugesagt, in ihrer Kita „Eichhörnchen“ in Kladow „interessierte zivile Nachbarn mit zu bedenken“.

Unklar ist noch, ob die Berliner Standortkommandantur ins Quartier Napoleon zieht. Über die Nutzung des Areals in Reinickendorf wird das Bundeskabinett voraussichtlich Ende Mai entscheiden. Ebenfalls noch offen ist, welche Einheiten mit Protokollaufgaben der Bundesregierung nach Berlin folgen werden. Wenigstens ein Wachbataillon und das Stabsmusikkorps werden nötig sein, meint Heermeier.

Schon jetzt hat Rühe eine Außenstelle in Berlin. Sie befindet sich im Bendlerblock, wo im Zweiten Weltkrieg die Wehrmachtsspitze waltete. An derart historisch belasteter Stelle will nach dem Regierungsumzug auch der Minister selbst seine Zelte aufschlagen. Er beruft sich dabei auf das Erbe des deutschen Widerstands, an den dort eine Gedenkstätte des Attentats vom 20. Juli 1944 erinnert.

Die übrigen Dienststellen der Bundeswehr in Berlin befinden sich in ehemaligen NVA-Quartieren im Ostteil. So sitzt in der Oberspreestraße in Köpenick das Kreiswehrersatzamt, in Treptow das Wehrbereichsgebührnisamt und in der Kaserne Rummelsburg in Lichtenberg unter anderem die Feldjäger. Im Bundeswehrkrankenhaus in Mitte wurden zu DDR- Zeiten Volkspolizisten kuriert. Die zentralste Adresse hat die Pressestelle: Sie residiert in der früheren NVA-Stadtkommandantur am Alexanderplatz.

Insgesamt hat die Bundeswehr in Berlin zur Zeit 1.500 Soldaten stationiert und beschäftigt etwa ebensoviel Zivilpersonal. Während die Zahl der Uniformierten bis zum Jahreswechsel verdoppelt werden soll, will die Armee ihr Zivilpersonal halbieren, so Heermeier. Auch die Zahl der Liegenschaften ist rückläufig: Von den 61 „Objekten“, die das Militär 1990 übernommen hat, will es nur 16 behalten, die übrigen gehen in Bundesvermögen über. Ralph Bollmann