Wo bleibt in Zukunft der Zeitgeist?

■ Ziemlich abrupt sagt der Bauer Verlag seinem Trendblatt „Wiener“ ade

„Mit seinem kritischen Journalismus setzte das Magazin Wiener immer wieder neue Akzente in der deutschen Zeitschriftenlandschaft“, bescheinigt der Heinrich Bauer Verlag seiner Zeitgeist- Zeitschrift, einer deutschen Variante des gleichnamigen Trendfühlers aus der benachbarten Alpenrepublik. Rund 100.000 Wiener- Fans lassen sich das Trendschnüffeln bislang monatlich immerhin stolze sechs Mark pro Heft kosten. Geld, das sie nun zwangsläufig sparen müssen: Das Hamburger Haus für Massendrucksachen, das sich fürs publizistische Ansehen eine „Spezialzeitschriften“-Dependance in München hält, verordnete dem quirligen Trendblatt soeben den knappkantigen Abgang. Ende dieser Woche darf der Wiener nach gerademal acht Lenzen zum letzten Mal an die Kioske.

„Vom Anzeigenmarkt verlassen“, so Bauer-Sprecher Roman Köster, habe man „keine Zukunft mehr gesehen“. Ob sich ein wohlhabendes Haus wie der Bauer Verlag nicht dennoch eine „kleine Marotte“ wie den Wiener leisten könne, wollte NDR 2 vom Verlagssprecher am Freitag in einem Telefoninterview wissen. „Als kluger Kaufmann“, antwortete Köster, „muß der Verleger in seine Kasse schauen.“ Der Zeitgeist habe sich nun mal verflüchtigt und das Thema „durch die allgemeine und gesellschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren sehr stark verändert“.

Daß man dem nunmehr gültigen Geist der Zeit verlegerisch allerdings auch etwas abgewinnen kann, exerziert Bauers Erzrivalin, die umtriebige Verlagsgruppe Milchstraße, vor. Deren Zeitgeist- Brevier Max, genauso teuer wie der Wiener, aber mehr als zweimal so oft verkauft, fand seit Anfang des letzten Jahres nicht nur 25.000 neue AnhängerInnen dazu, sondern auch deutlich wachsenden Zuspruch bei der werbenden Wirtschaft. Bauer, mit Abstand Auflagenerster und größter Papierverschwender im Land, schmeißt derweil unverdrossen die Republik mit insgesamt fast 24 Millionen Heftchen aller Arten zu. Zu seiner Strategie gehört es, wortlos auch anhaltend hohe Verluste bei Auflagen, Anzeigen oder auch beidem gleichzeitig wegzustecken. Ein Beispiel von vielen: Die Neue Revue, seit Jahren defizitär, verlor allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres mit 99.000 fast so viele Exemplare, wie sie der Wiener überhaupt nur auflegt, und im März dieses Jahres mit über 96 Anzeigenseiten knapp doppelt so viele wie in der nun abgehalfterten Zeitgeistgazette plaziert waren. Dennoch ist selbst dieser herbe Einnahmeeinbruch anscheinend keine „Entwicklung, (die) das Haus Bauer zwingt“, die Magazine „vom Markt zu nehmen“.

Obwohl die Zeitschriftenregale unter den 297 bereits existierenden Titeln schon beinahe zusammenbrechen, ließ die Blitzkarriere von focus des Konkurrenten Burda den Massenartikler Bauer unruhig werden. Erst recht seit bei Burda mit „focus 2“ (Arbeitstitel) eine weitere Info-Illustrierte in der Mache ist und sich auch Springers Günter Prinz mit News (echter Titel) und Gruner + Jahrs Bild-Import Hans Hermann Tiedje mit „Tango-Bubi“ (Arbeitstitel) entsprechend munitionieren, fühle sich der Bauer Verlag, so Köster, geradezu „gezwungen, auf dieser Rennbahn mitzulaufen“.

Da man just diese Piste erst vor zwanzig Monaten mit der plötzlichen Zwangseinschläferung der Illustrierten Quick verlassen hat, obwohl sie mit 700.000 Exemplaren Auflage im Aufwind war, kann es dabei kaum um mehr Information gehen. Entlarvend der Arbeitstitel der neuen Bauer-Blendgranate: „Feuer“! Ulla Küspert