Winterkrieg in der Bürgerschaft

■ Reservisten-Postille als Auslage im Parlament / Wehrmachts-Werbung

Lesestoff für Hermann Kleen: Beim Sprecher der Bremer Bürgerschaft stapelt sich ein olivgrünes Heftchen neben dem Schreibtisch. Das hat Kleen nämlich gestern aus dem Verkehr gezogen, obwohl der Titel doch so unverfänglich-staatstragend daherkommt. „Loyal“ heißt das Magazin, ein Monument der Verteidigungsbereitschaft, denn das 80 Seiten starke Monatsmagazin ist das offizielle Organ des Reservistenverbandes, Und das lag wie viele andere Publikationen im Parlament aus, auf daß sich eine jede Abgeordnete ein Exemplar mitnehme zur staatsbürgerlichen Erbauung. Doch nun gibt es Krach um das Blatt. Der Grund: Auf dem Umschlag der Mai-Nummer prangt eine ganzseite Anzeige des Düsseldorfer „Barett“-Verlags, der sich eine ganz besondere Art der Traditionspflege auf seine Fahnen geschrieben hat. Er wirbt für Bücher wie „Taschenbuch für den Winterkrieg – Neuauflage des Ausbildungsbuches der Deutschen Wehrmacht für die Gefechtsführung in Schnee und Eis“, vornedrauf ein eingemummelter Landser in Rußlands Weiten, oder auch für einen „Bildband über die Landung deutscher Fallschirmjäger auf Kreta“, so der Werbetext. Der Titel: „Kreta, Sieg der Kühnsten“. Illustriert wird das Anliegen des Buches auf dem Einband. Da sehen wir nämlich einen Adler mit Hakenkreuz in den Krallen vor einer stilisierten Landkarte beim Anflug auf Griechenland.

Kurz nach Sylvester hatte es schon den ersten Protestbrief wegen „Loyal“ an den Bürgerschaftspräsidenten gegeben. Paul Schröder vom „Verbund gegen Jugendberufsnot“ war das Magazin in die Hände gefallen, und der hatte sich angesichts der Werbung empört an Dieter Klink gewandt. Das ginge doch nicht, daß öffentlich zum Beispiel für ein „Ausbildungsbuch über Luftlandeopertaionen, Sprengen, Waffenausbildung, Fernmmeldewesen, Erste Hilfe“ geworben wird, fand Schröder. Der Bürgerschaftsprädident ließ prompt antworten: „Sehr negativ“ sei die Werbung, ließ Klink zurückschrieben. Der Präsident wolle den Fall beim nächsten Treffen mit dem Bremer Reservistenverband ansprechen. Passiert ist seitdem allerdings nichts, das wurde gestern mit einere gewissen Zerknirschung vom Bürgerschaftssprecher mitgeteilt. Die Gelegenheit habe sich eben nicht ergeben.

Das Magazin wurde aber munter weiter in der Bürgerschaft verbreitet – wieso auch nicht, die Auslagen werden nicht kontrolliert – sehr zum Ärger von Paul Schröder, der dieselbe Anzeige nun schon zum zweitenmal in der Bürgerschaft vorfand, nur ein paar „Loyal“-Ausgaben später. Er sei nach seinem ersten Brief davon ausgegangen, daß das Magazin aus der Parlament verschwunden sei, schrieb Schröder nun zum zweitenmal an Klink. „Sie werden verstehen, daß dieser Vorgang bei uns auf kein Verständnis stößt.“ Das verstand nun der Bürgerschaftssprecher Kleen völlig und konfiszierte umgehend die restlichen Ausgaben.

„Wir werden uns jetzt aktiv um einen Gesprächstermin mit dem Reservistenverband kümmern“, teilte Kleen gestern mit. Da allerdings wird die Bürgerschaft auf delikate diplomatische Probleme stoßen. Denn was läge näher, als in der Angelegenheit mit dem Bremer Reservistenchef zu reden. Der heißt aber Reinhard Willnow und hat ein außergewöhnliches Hobby – neben dem Reservistenverband. Er ist Sprecher der Bremer Republikaner. J.G.