■ Wer schaut sich „Bilder von Kriegskindern“ an?
: Schluchzvorlagen

Es ist das Verhängnis der Kinder, daß sie gern malen und mehr noch, daß sie so unbeugsam dankbar sind. Man kann alles mit ihnen machen, und deshalb darf man's nicht und tut es doch: Tausend Bauzäune haben sie schon vollgemalt und hunderttausend Telefonschaltkästen obendrein, es gibt keine Scheußlichkeit, der sie nicht willig den Anstrich der Farbenfreude gäben, und selbst der Sparkassenfilialleiter, der für anständige Werbemaßnahmen zu knickrig ist, kann jedes Jahr drei Kindermalwettbewerbe veranstalten, ohne daß „unsere kleinen Künstler“ ihm die Fingerfarben um die Ohren schmieren. Das ist die Lage, das ist die Situation. Die Arglosigkeit in Menschengestalt wird ungescheut eingespannt für den Wettbewerbsvorteil, noch ehe sie auch nur ein Girokonto führen darf. Das alles stellt man mit Kindern an, und schlechter als diese schlechten Zwecke sind nur noch die guten, wo dann die Kinder „für den Frieden“ malen und unermüdlich „Ängste“ ausdrücken, die sie nicht hätten, es sei denn ihren Eltern oder Lehrern zuliebe, welche ihnen solange Granaten an die Wand malen, bis sie schlußendlich auf den Kinderbildern einschlagen.

Und wenn sie wirklich einschlagen wie jetzt in Jugoslawien, und die Kinder malen es, um halbwegs über das Erlebnis hinwegzukommen? Nun, dann findet sich endültig der beste Zweck auf Erden: Die Bilder werden nach Bremen geschafft und in der Rathaushalle aufgehängt, um hierzulande die Spendendrüsen anzuregen.

Man kann der Hilfsbereitschaft nicht die Mittel vorwerfen, deren sie sich in der Not bedient, und sei es die Schaulust. Aber was sind das für Menschen, die ihr tatsächlich folgen und in solche Ausstellungen gehen, wo nichts zu sehen ist als die bildgewordene Angst, wo nichts zu erfahren ist als die Ratlosigkeit und eben Kindlichkeit von Kindern? Können diese Bilder einen anderen Sinn haben als den der Schluchzvorlage? Sollte es Scheusale geben, die solche Bilder brauchen, um sich unter einem Krieg noch etwas vorstellen zu können? Stinkt nicht das Milchpulver schon zum Himmel, das man von solcher Leute Spenden kaufen könnte? Nur mal als Frage. Manfred Dworschak