Wechseln britische Rinder ihren Paß?

Nordirische Fleischexporteure behaupten: Über den Umweg Irland gelangt britisches Fleisch trotz der Exportbeschränkungen wegen Rinderwahnsinns in andere EU-Länder  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Auf Umwegen kommt das Fleisch von wahnsinnigen britischen Rindern offenbar auf den mitteleuropäischen Mittagstisch. Englisches und schottisches Rindfleisch, das wegen der BSE-Seuche bestimmten europäischen Exportkontrollen unterliegt, wird über Irland in andere Länder der Europäischen Union exportiert. Das behauptet jedenfalls die „Vereinigung nordirischer Fleischexporteure“.

Der Verband hat sich darüber beschwert, daß die nordirische Fleischverarbeitungsindustrie Produktionsausfälle zu verzeichnen hat, weil ihnen die Rinder fehlen. Um den Schmuggel zu beweisen, hatte der Verband Privatdetektive beauftragt, die heimlich einen Videofilm über den Grenzverkehr der Rindviecher in Irland gedreht haben.

Insgesamt sind im Vereinigten Königreich in diesem Jahr 100.000 Rinder vom Markt „verschwunden“. Zum Teil liegt das daran, daß die Bauern ihre Kühe im Vergleich zum Vorjahr erst in die Schlachthäuser geben, wenn die Tiere schon älter sind. Doch damit lassen sich bei weitem nicht alle Fälle erklären, gibt auch das Landwirtschaftsministerium zu.

Computer-Statistiken deuten darauf hin, daß bisher rund 50.000 Rinder in die Republik Irland geschmuggelt worden sind. Von dort wird das Fleisch – angeblich als „irisches Produkt“ deklariert – dann weiterexportiert. Der Umsatz, der mit dem illegalen Rinderhandel erzielt wird, liege bei 35 Millionen Pfund (etwa 85 Millionen Mark), so heißt es. Durch eine falsche Herkunftsangabe würden auch sämtliche Exportauflagen entfallen, die britisches Rindfleisch wegen der dort grassierenden Rinderseuche erfüllen muß.

So darf aus Großbritannien nur Rindfleisch ausgeführt werden, wenn in der betreffenden Herde seit zwei Jahren kein BSE-Fall aufgetreten ist. Bei Fleisch von augenscheinlich gesunden Tieren aus verseuchten Beständen müssen vor der Ausfuhr Knochen, Rückenmark, Gehirn, Innereien sowie das sichtbare Nerven- und Lymphgewebe entfernt worden sein.

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer wollte ursprünglich nicht nur gegen britisches, sondern auch gegen irisches Rindfleisch einen Importstopp verhängen. Nach irischen Protesten – in Irland sind bisher offiziell 85 Tiere an BSE gestorben, in Großbritannien sind es 126.000 – lenkte Seehofer jedoch ein. Über den Importstopp von britischem Fleisch soll Ende des Monats entschieden werden.

Ein Belfaster Experte sprach sogar von 80.000 Tieren, die bisher in die Republik Irland geschmuggelt worden seien. Das würde bedeuten, daß täglich bis zu 300 Rinder die innerirische Grenze überqueren. Genaue Zahlen sind jedoch kaum erhältlich. Zwar sind irische Viehhändler wiederholt bei Auktionen in England und Schottland gesichtet worden, doch viele schalten für die Versteigerungen auch Agenten ein.

Von Schottland aus werden die Rinder dann mit der Fähre nach Nordirland transportiert. „Viele unserer Tiere werden nach Südirland verkauft“, sagte ein Sprecher der nordirischen Fleischindustrie. „Aus England und Schottland sind es wegen der Fährkosten jedoch weniger.“

Neil O'Muilleoir, der Pressesprecher des Irischen Bauernverbandes in Dublin, bestritt gestern gegenüber der taz, daß Rinder illegal importiert würden. „Wenn im Vereinigten Königreich 100.000 Rinder fehlen, so ist das deren Problem“, sagte er. „Die Verarbeitung von Rindern ist in der Republik Irland um sechs bis sieben Prozent zurückgegangen, und auch der Export lebender Rinder ist gesunken. Wo sollen also die geschmuggelten Tiere geblieben sein?“