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Die amerikanische Version von Heinrich Lübke Von Andrea Böhm

Die gute Nachricht zuerst: Dan Quayle ist wieder da – und damit unerschöpflicher Stoff für Kabarettisten, Kolumnisten und Cartoonisten. Wir erinnern uns: Für kurze Zeit meinten die Republikaner, in dem Blondschopf aus dem Bundesstaat Indiana die rechte Version eines Robert Redford entdeckt zu haben – eine konservative Nachwuchshoffnung, die das Herz der Frauen höher schlagen läßt. Aber erstens verwahrte sich Robert Redford entschieden dagegen, mit Quayle in eine physiognomische Bezugsgruppe geworfen zu werden; und zweitens entwickelte sich der Mann in seiner Eigenschaft als Viezepräsident der Bush- Administration in Windeseile zu einer amerikanischen Version von Heinrich Lübke. Zwar konnte er sich im Gegensatz zu dem Ex-Bundespräsidenten bei öffentlichen Auftritten in der Regel daran erinnern, wo er gerade eine Rede hielt. Aber was er sagte, verschaffte der gesamten Nation häufig einen Lachkrampf.

Unvergessen bleibt die Kartoffel-Episode, die nichts mit den landwirtschaftlichen Talenten des Vizepräsidenten, sondern mit seinen ortographischen (Un)Fähigkeiten zu tun hatte: Bei einem Buchstabierwettbewerb in einer Schule hatte Quayle das Wort „potato“ falsch buchstabiert. Nun endlich, zwei Jahre nach diesem Ereignis, erklärt Quayle in seinem Buch „Standing Firm“, wie es zu diesem Lapsus kommen konnte: Das Wort sei bereits auf der Karteikarte, die man ihm gereicht hatte, falsch buchstabiert gewesen.

Die schlechte Nachricht ist: Dan Quayle möchte offenbar Präsident werden. Ansonsten hätte er sich nicht der ortographischen Tortur unterworfen, ein Buch zu schreiben, in dem er sich selbst als jenen Politiker porträtiert, der immer schon wußte, wo die Wurzel allen Übels in diesem Land lag: im Zerfall der Familie. Alleinerziehende Mütter, homosexuelle Paare, außerehelicher Sex oder gar Kondome (igitt) an den Schulen... Kein Wunder, daß die Gewaltkriminalität steigt, Bill Clinton den Wahlkampf gewinnt und die Nordkoreaner Atombomben bauen. Von missionarischem Eifer beseelt, ließ sich Quayle deshalb vor zwei Jahren im Wahlkampf auf einen historischen Schlagabtausch mit „Murphy Brown“, der fiktiven Heldin einer Fernsehserie, ein, die die Frechheit besessen hatte, unter Umgehung der Eheschließung ein Kind zu gebären. Die ganze Fernsehnation saß vor dem Bildschirm, als „Murphy Brown“ sich zur besten Sendezeit über Dan Quayle das Maul zerriß und sich fragte, welch ein Clown da im Fall des Ablebens von George Bush die Regierung übernommen hätte.

Jetzt könnte man sich ganz gelassen auf den Standpunkt stellen, daß ein Politiker nicht Präsident werden kann, dessen Namenskürzel DQ die Antithese zu IQ darstellt. Andererseits ist vor soviel Leichtgläubigkeit zu warnen: Vor fünfzehn Jahren hätte auch niemand gedacht, daß ein Hollywood- Schauspieler ins Weiße Hause einzieht. Und vor drei Monaten hätte man sich nicht träumen lassen, daß Richard Nixon posthum zum amerikanischen Volkshelden erklärt wird.

Also sollte man in den nächsten Monaten den Werdegang des Dan Quayle genau verfolgen. Am Ende war die Idee, sich mit einer TV-Figur anzulegen, gar nicht so dumm. Auf diese Weise erinnert sich in den USA jeder an ihn.

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