Jemen droht der Bruch

■ Aden will Gegenregierung ausrufen

Kairo (taz) – Nach tagelangen schweren Kämpfen zwischen den Armeen der verfeindeten Landesteile des Jemen droht nun ein Auseinanderbrechen des erst jüngst vereinigten Staates. Die sozialistische Partei des Südens, mit ihrem Vorsitzenden Ali Al-Bayd, versucht derzeit ein Bündnis zu schaffen, das sich zwar „Koalition der Nationalen Rettung“ nennt und einen sofortigen Waffenstillstand fordert. Doch die existierenden staatlichen Institutionen des Gesamtjemen, bisher meist von einer nördlichen Mehrheit kontrolliert, sollen laut dieser neuen Initiative nicht mehr anerkannt werden. Statt dessen soll eine Gegenregierung der „Nationalen Rettung“ geschaffen werden, der auch einige der gegenwärtigen Minister im gesamtjemenitischen Kabinett angehören sollen. Vollzieht die sozialistische Partei tatsächlich diesen Schritt, würde dies auch politisch das vorläufige Ende des vor vier Jahren geeinten Jemen bedeuten.

Die südlichen Sozialisten stehen mit diesem politischen Vorstoß nicht allein. Die „Sammlungspartei der jemenitischen Einheit“ und die „Vereinigung der jemenitischen Söhne“, vor kurzem noch die wichtigste Opposition im gesamtjemenitischen Parlament, gehören der neuen Koalition beide an. Während die Sammlungspartei erst mit der jemenitischen Einheit 1990 gegründet wurde, galt die „Vereinigung der jemenitischen Söhne“ als eine der wichtigsten illegalen und vom Norden unterstützten Oppositionsparteien im sozialistischen Süden vor der Vereinigung. Beide Parteien prangerten bisher im Parlament vor allem die Korruption der früheren drei an der Regierung beteiligten Parteien, also auch der Sozialisten, an. Im Oktober letzten Jahres hatten sie sich zu einem „Nationalen Oppositionsbündnis“ zusammengeschlossen.

Militärisch hat der Norden seit Montag einige Erfolge bei seinem Marsch auf die südliche Hauptstadt Aden zu vermelden. Die Kämpfe konzentrieren sich derzeit auf einen der wichtigsten südlichen Luftwaffenstützpunkte, Al-And, 50 Kilometer nördlich von Aden entfernt. Der Stützpunkt mit 20.000 Soldaten der südlichen Armee gilt Militärfachleuten als eines der letzten großen Hindernisse auf dem Vormarsch der nördlichen Truppen nach Aden. Dort sollen inzwischen bereits die Artillerieduelle zu hören sein.

Die südjemenitischen Militärs haben in den letzten vier Tagen Waffen zur Verteidigung der Stadt an die Zivilbevölkerung verteilt. Vom Flughafen Aden fliegt die südliche Luftwaffe ununterbrochen Angriffe gegen die vorrückenden Truppen des Nordens. Auch um die Stadt Bijan in der Ölprovinz Schabwa wird heftig gekämpft. Dort liegt ein Großteil der vor wenigen Jahren entdeckten Ölvorkommens des Landes.

Die Initiativen für einen Waffenstillstand drehen sich unterdessen erfolglos im Kreis. Eine Delegation der Arabischen Liga kehrte nach einem erneuten Vermittlungsversuch in Sanaa unverrichteter Dinge nach Kairo zurück. Karim El-Gawhary