„Rassismus hat viele Gesichter“

■ CSU-Wirbel um Anti-Rassismus-Plakate mit Stoiber-Konterfei

Nürnberg (taz) – Die CSU ist aufgebracht. „Gemeine Verleumdung“, tönt Bayerns Innenminister und CSU-Kreisvorsitzender, Günther Beckstein, „Frechheit“, sekundiert der CSU-Fraktionschef im Nürnberger Rathaus, Ludwig Scholz. Der Grund für die Aufregung ist ein Plakat, das derzeit in Nürnberg aushängt. Unter dem Titel „Rassismus hat viele Gesichter“ finden sich unter anderen die Köpfe von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und CSU- Chef Theo Waigel, versehen mit rassistischen Zitaten der Politiker. Nun versucht die CSU alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Verbreitung des Plakats zu verhindern. Die SPD-Landesvorsitzende Renate Schmidt soll sich umgehend bei der CSU entschuldigen, Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister soll juristisch einschreiten.

„Rassismus hat viele Gesichter“ ist ein Plakat aus einer Reihe von insgesamt sechs Druckwerken. Die anderen fünf tragen den Titel „Faschismus hat viele Gesichter“ und behandeln Ideologie sowie Aktivitäten der „Republikaner“ und anderer rechtsextremer Gruppen. Mehrere antifaschistische Gruppen, die Nürnberger Grünen, die Jusos und das Jugendzentrum „KOMM“ hatten die Aktion initiiert. Während sich die CSU an letzteren fünf Plakaten nicht stört, findet sie die Konfrontation mit Zitaten wie „Wir wollen keine durchrasste Gesellschaft“ (Stoiber) oder „Für unsere Bevölkerung ist die Schmerzgrenze schon seit langem überschritten ... weitere Belastungen sind unzumutbar“ (CSU-MdB Glos) einfach unerträglich. Daß die CSU als „ideologischer Wegbereiter“ des Rassismus bezeichnet wird, hat vor allem Innenminister Beckstein empfindlich getroffen. Er verlangt von Renate Schmidt „eine Entschuldigung“, weil auch die Jusos das Plakat unterstützen. Schmidt jedoch wertet das Schreiben als „vordergründiges Wahlkampfgeplänkel“. Für die Jusos selbst steht eine Entschuldigung „nicht zur Debatte“.

Beckstein, der es „besonders empörend“ findet, daß die Plakate von dem mit städtischen Mitteln geförderten „Antifaschistischen Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrum“ (ABIDOZ) und von der städtischen Einrichtung „KOMM“ unterstützt werden, stieß auch bei Oberbürgermeister Peter Schönlein auf Granit. Für seine Forderung, „diesen üblen Fall der Veruntreuung von Steuergeldern zu unterbinden und die Förderung der diesbezüglichen Gruppen einzustellen“, sieht Schönlein „keinen Handlungsbedarf“. Den sieht jedoch die private „Stadtreklame“. Sie lehnt es bislang ab, die Plakate zu kleben.

Einer Forderung von Beckstein kamen die SPD-Stadträte im Kulturausschuß bereits zuvor. Zusammen mit der CSU strichen sie ABIDOZ die für dieses Jahr beantragten städtischen Gelder. Klaus- Peter Murawski (Bündnis 90/ Die Grünen), dritter Bürgermeister von Nürnberg, findet es „geradezu peinlich, daß ein Jahr vor dem in Nürnberg sehr hoch gehängten Gedenkjahr anläßlich der vor 50 Jahren verkündeten ,Nürnberger Rassegesetze‘ ausgerechnet einem derartigen Projekt die Mittel gestrichen“ würden. „Bei unserer Entscheidung gab es keine politischen Gesichtspunkte“, weist Richard Würffel, SPD-Stadtrat im Kulturausschuß, diese Kritik zurück. Bernd Siegler