Grenzmengendebatte weckt die Drogenkrieger

■ Die "neuen" Richtlinien zum straffreien Konsum kleiner Mengen von Drogen des NRW-Justizministers Krumsiek (SPD), gegen die Konservative jetzt Front machen, konkretisieren nur das, was von...

Die „neuen“ Richtlinien zum straffreien Konsum kleiner Mengen von Drogen des NRW-Justizministers Krumsiek (SPD), gegen die Konservative jetzt Front machen, konkretisieren nur das, was von vielen Staatsanwaltschaften längst praktiziert wird

Grenzmengendebatte weckt die Drogenkrieger

Rolf Krumsiek, der Düsseldorfer Justizminister, versteht die Welt nicht mehr. Seit Krumsiek am vergangenen Freitag seine neuen Richtlinien zum straffreien Konsum kleiner Mengen von Drogen vorgestellt hat, ist die Hölle los. Daß die Giftpfeile aller schwarzen Drogenkrieger der Republik sich ausgerechnet Krumsiek zum Ziel nahmen, entbehrt in der Tat nicht einer gewissen Ironie. Seit Jahr und Tag kam der größte Widerstand gegen eine liberalere Drogenpolitik in Düsseldorf stets aus dem Justizressort, das unter der Führung des konservativen Sozialdemokraten nie in Verdacht geriet, besonderem reformerischem Eifer zu frönen. Die Vorteile von Krumsieks forscher Freitagsbotschaft hatten die Drogenexperten aus dem Gesundheits- und Innenministerium zuvor monatelang vergeblich dem Justizministerium zu verklickern versucht.

Im Kern ging es darum, durch neue Richtlinien ein einheitliches Verfahren beim strafrechtlichen Umgang mit Drogenkonsumenten sicherzustellen. Nach dem jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Haschischkonsum mutierte Krumsiek dann plötzlich vom Bremser zum Antreiber. Dabei legte er in einem „vorläufigen“ Erlaß nicht nur Grenzmengen von jeweils 10 Gramm für Haschisch und Marihuana, sondern auch für Heroin, Kokain oder Amphetamin – jeweils 0,5 Gramm – fest. Bei diesen Mengen sollen die Staatsanwälte generell die Verfahren einstellen, wenn nur „ein geringes Verschulden vorliegt, die Täter auch lediglich geringe Mengen an Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum besitzen und andere Personen nicht gefährdet werden“.

Tatsächlich konkretisieren die neuen Krumsiek-Richtlinien nur das, was von vielen Staatsanwaltschaften im Bereich der harten wie weichen Drogen längst praktiziert wird. Die Basis dafür bildet Paragraph 31a des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG), der den Staatsanwälten schon immer die Möglichkeit eröffnete, bei geringer Schuld nach eigenem Ermessen einzustellen. Mit Blick auf den 31a BtmG hat das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten „Haschisch-Urteil“ den Ländern aufgetragen, „für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen“. Doch bisher sind alle Bemühungen der Landesjustizminister um eine einheitliche Regelung gescheitert. In Brandenburg darf man ungestraft 0,5 Gramm Haschisch bei sich haben, in Schleswig-Holstein 30 Gramm, in NRW jetzt 10 Gramm, und in Rheinland- Pfalz wird über eine 20-Gramm- Grenze diskutiert. Bayern möchte am liebsten überhaupt keine Menge als verpflichtende Einstellungsgrenze nennen.

Daß Krumsiek in seinem Erlaß nun auch noch gleich Grenzmengen für harte Drogen niedergeschrieben hat, macht den Kern des öffentlichen Geplusters der Drogenkrieger aus. Die CSU geißelte die „drogenpolitische Irrfahrt“ des Ministers. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion, Jürgen Rüttgers, ging noch einen Schritt weiter und hielt Krumsiek sogar vor, er mache durch seine Vorschläge „NRW mittelbar zum Dealer“. Auch einige Genossen gingen auf Distanz. Während die Amtskolleginnen in Hessen und Berlin Krumsieks Schritt verteidigten und die Bremer Sozialbehörde NRW einen Kurs „auf unserer Linie“ bescheinigte, sprach der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Benrath, davon, NRW beschreite „einen riskanten Weg“. Der saarländische Innenminister Läpple (SPD) warnte davor, auf das Karlsruher Urteil „in einem Übermaß“ zu reagieren.

Unterdessen erwägen die Bonner Regierungsparteien eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, um den straffreien Besitz von Heroin zu unterbinden. Nach Auffassung der Bonner Regierung kann sich NRW nicht auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil berufen, weil darin von harten Drogen nicht die Rede sei. Krumsiek sieht das ganz anders: „Ich glaube, NRW erfüllt damit die Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes.“ Das Karlsruher Gericht habe sich in seiner Entscheidung mit dem Paragraphen 31a BtmG „in seiner Gesamtheit befaßt und hat die Länder aufgefordert, zu dem gesamten Komplex Richtlinien zu erlassen. Und deswegen konnten sich die Richtlinien nicht nur auf Cannabis-Produkte beziehen, sondern sie mußten auch eine Aussage zu den anderen Opiaten treffen.“

Viele Drogenberater begrüßen den Krumsiek-Vorschlag, „weil es jetzt nicht mehr von der Willkür der Staatsanwälte abhängt, ob ein Drogenabhängiger verfolgt wird oder nicht“. Im WDR wertete Edwin Scholz, Leiter der Drogenberatungsstelle in Ahlen und Vorsitzender des „Bundesverbandes für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik“, die Initiative als einen „kleinen Schritt in die richtige Richtung“. Die repressive Drogenpolitik mittels BtmG sei gescheitert. Jetzt müßten weitere Schritte zur Entkriminalisierung folgen. Walter Jakobs