Die Pillenbanden kämpfen so vor sich hin

■ Die Stadt, das Thema und ihr Buch: Berlin-Krimi von Jürgen Ebertowski über die düstere Welt der Drogen und die geheimen Verbindungen zu den Gürtelsportlern

Sport ist Mord, höhnen die Schreibtischtäter, und so ganz unrecht haben sie scheinbar nicht. Fitneß-Center stehen auf der Haß- Liste der Bewegungslosen ganz oben. Hier tummeln sich karrieregeile Manager und Konsorten, um sich noch in der Freizeit den letzten Schliff zur Arbeitsoptimierung zu verschaffen. Yoga, Aikido oder Tai Chi Chuan gelten hingegen als tolerierte Alternativsportarten. Doch selbst das richtige, mittezentrierte Sportleben ist von der falschen Welt durchdrungen. Denn in Fitneß- wie Aikido-Clubs werden Mucki- wie Muntermacher gehandelt. Dieser gewinnträchtige Markt wird mit harten Bandagen umkämpft, beim Gerangel um den Absatz der bunten Pillen wird dann auch schon mal ein Konkurrent zur Seite geschafft.

Der Fitneß-Club-Besitzer Schellkowski läßt in seinem luxuriösen Studio am Ku'damm nicht nur die Kunden auf den Geräten schwitzen, sondern beliefert sie zudem mit Anabolika. Zeit ist Geld, drum muß auch das Muskelwachstum einfach etwas unterstützt werden. Als Lieferanten und Kleindealer engagiert Schellkowski Schüler, die die Putschmittel auch gerne gegen den Schulstreß schlucken. Als einer von ihnen jedoch mit ins große Geschäft möchte, endet er mit einem Messer im Rücken. Gleichzeitig tobt ein Banden- und Zuliefererkrieg in Berlin, die Claims werden hart umkämpft.

Das alles und noch viel mehr ist nachzulesen in „Aikido Speed“ von Jürgen Ebertowski: Der Träger des 4. Dan und Leiter einer dieser fernöstlichen Sportschulen in Kreuzberg hat auch bei seinem zweiten Krimi das Aikido in den Mittelpunkt gestellt. Die Ordensschwester Vera Veltheim leitet Aikidokurse neben ihrem Unterricht an einem Berliner Gymnasium. Vera kam während eines Japan- Aufenthaltes eher durch Zufall auf die Reismatte, mittlerweile tauscht sie allabendlich die Kutte gegen die Aikidotracht. Als sich herausstellt, daß der ermordete Schüler nicht das einzige schwarze Schaf in dem eher behüteten Hermsdorf ist, wird die kämpferische Nonne in den Fall hineingezogen und muß voll Schrecken erkennen, daß New Yorker Verhältnisse in dem Berliner Vorort herrschen.

Humboldthain als Umschlagplatz, Ku'damm als Studioadresse, Hermsdorf, Charlottenburg und Kreuzberg: in der Reihe „Berlin Crime“ herausgegeben, finden sich in Ebertowskis Buch einige Berliner Schauplätze, kleine Kiezimpressionen über das morgendliche Leben in Kreuzberg und natürlich das Berliner Thema: Drogen. Spannung kommt jedoch nicht so recht auf in diesem Krimi, die Pillenbanden kämpfen so vor sich hin, Schellkowski ringt um sein wirtschaftliches Überleben zwischen den verschiedenen Fronten, und die Gürtelsportler trainieren die sanfte Sportart. Ebertowski erzählt zu viele Geschichten, die alle zusammenhängen, aber das Ganze nicht interessanter machen.

Seine eigentliche Botschaft ist die Betroffenheit über die Speed schluckenden Jugendlichen. Eine fürwahr nicht schöne Tatsache, die allerdings im Gestus der Anti-Drogen-Plakate auf den U-Bahnhöfen vermittelt wird. Wenn dann noch einer der Jungen zur Rehabilitation nach Japan „kinderland“-verschickt wird, scheint das Problem Jugend und Drogen auf sehr charlottenburgische oder dahlemsche Weise aus der Welt geschafft worden zu sein. Caroline Roeder

Jürgen Ebertowski: „Aikido Speed“, Berlin Crime 10, 188 Seiten, 14,80 DM