Zwei Loser auf der Geisterbahn

■ Sara Drivers fantastische Komödie aus dem Dies- und Jenseits

Marianne Faithfull spielt eine der Hauptrollen, Joe Strummer von den Pogues hat die Musik verfertigt, und Geister können wir, spätestens seit „Topper, das blonde Gespenst“, sowieso schon immer gut leiden. Wie also kommt es, daß Sara Drivers Komödie „When pigs fly“ genau die Art leichter Gereiztheit auslöst, die entsteht, wenn man aus eitlen Bedenken weniger gegessen hat, als es der Hunger eigentlich erfordert? Vielleicht weil es ein Filmchen mit einer mageren Story ist. Gewogen und – leider, leider – für ein klein wenig zu leicht befunden.

Dabei sollte alles so ulkig wirken, und manchmal tut es das sogar. Marty ist ein hoffnungsloser Bebop-Jazzer, der sich mit Klavierstunden für hoffnungslosen Jazz-Nachwuchs gerade mal so durchschlägt. Marty, das bedeutet zweifarbige Schuhe an den Füßen, kunstseidene Anzüge am verfettenden Körper und ein ausgesprochen räudiger, aber sehr musikalischer Köter namens Dolphy als Gefährte. Daß die ärmsten Schlucker aber auch immer die größten Hunde haben. Wenn Marty nicht gerade schläft, stolpert er ächzend durch Tage, die alles andere als seine Freunde sind. Neben seinem Bett hängt ein röhrender Hirsch, und in seiner versifften Küche steht unaufgetaute Tiefkühlpizza, die er brüderlich mit Dolphy teilt, auf dem Speiseplan. Merke: Marty ist zwar ein Loser, aber ein guter Mensch. Das Haus, in dem er wohnt, hat auch schon bessere Zeiten gesehen. Eigentlich kann man es nur noch mit einem brennenden Streichholz aufräumen. Sagen wir es mal so: Der Hund Dolphy paßt zu Marty, Marty paßt in dieses Haus, und das Haus paßt in das abgewrackte US-amerikanische Industrierevier, das die Kulisse für diese Geschichte bildet. Martys depressivem Bekunden zufolge „eine Stadt voller Arschlöcher“.

Eines der Arschlöcher ist Frank, unleidiger Inhaber einer dreckigen Lache und einer heruntergekommenen Bar „Rose of Erin“. Merke: Frank ist der Bösewicht des Films. Vor 15 Jahren hat er in einem Anfall von Jähzorn seine Frau Lilly erschlagen, ohne jemals dafür bestraft worden zu sein. Da dieser Film aber nicht nur eine Komödie sein will, sondern auch ein Märchen ist, bekommt Frank am Ende natürlich, was er verdient hat. Doch bis dahin ist es ein etwas eintöniger, winkliger Weg, der von einem alten Schaukelstuhl gesäumt wird. Lilly, Franks tote Frau (Marianne Faithfull), und ihre Freundin Ruthie, ein kleines, altmodisch gekleidetes Mädchen, das schon sehr lange tot ist, sind als Geister an diesen Schaukelstuhl gefesselt, weil beide in ihm ihren Tod fanden. Als die Go-Go-Tänzerin Sheila, auch eine Loserin und auch ein guter Mensch, Marty den Schaukelstuhl schenkt, beginnt die erzählerische Balance zwischen Dies- und Jenseits, die dem Zuschauer immerhin ein paar schöne, fast psychedelische Bilder beschert. Zum Beispiel Faithfulls apartes Gesicht in dreifach beschwörender Wiederholung, auf Op-Art-Manier trudelnde Spiralen und kullerbunte Hundeträume.

„When pigs fly“ gibt jenen recht, die sich in dunklen Kellern graulen, weil sie ein Leben neben dem Leben für nicht ganz ausgeschlossen halten. Die einen stehen in der Gnade des Sehens, die anderen nicht, und mancher könnte ebensogut ein Geist sein. Sheila, die gewiß nicht schizophren ist, hört zu den seltsamsten Zeiten leise Musik, wo keine sein kann, während Marty im Traum auf seinem Klavierhocker über die Stadt segelt. Sheila, Marty, Lilly und Ruthie sind wie geschaffen für ein spirituelles Quartett infernale, das das Recht wiederherstellen wird, und zwar mit fliegenden Biergläsern, rasenden Billardkugeln, wildgewordenen Zapfhähnen und Geldregen. Martys, Lillys und Ruthies Spaziergänge durch die verlassenen Straßen der Stadt führen zur Begegnung mit all den Toten der Vergangenheit, die gemeinhin auf einer Biographie lasten. Allein diese Szenen, die wegen ihrer schwerblütigen Melancholie (trefflich: Alfred Molina) zwischen etlichen bemühten Absurditäten unwillkürlich deplaziert wirken, lassen die Längen des Films halbwegs vergessen. Eine ganz und gar unsentimentale Verneigung vor der Vergänglichkeit. Dann ist da noch die Präsenz von Marianne Faithfull. Die fast statuarische Würde, mit der sie die geschundene Ehefrau gibt, wird, gott sei Dank, von ihren wunderbar leuchtenden Augen beseelt, und natürlich singt sie auch ein bißchen mit dieser berühmten, kribblig machenden und Brecht-kompatiblen Waschbrettstimme.

Das alles rettet die etwas dünne Geschichte über Lebende, Geister und Gerechtigkeit nicht ganz, macht sie aber leidlich sympathisch. Und mit am befriedigendsten ist womöglich ein zweiter Grund, aus dem der Fiesling Frank am Ende seiner gerechten Strafe zugeführt wird: Er spielt in seiner Bar keine irische Musik mehr. Anke Westphal

„When pigs fly“. Regie: Sara Driver. Mit Marianne Faithfull, Alfred Molina, Maggie O'Neill, Seymour Cassel, Rachel Bella u.a. USA 1993, OmU, 90 Min.