Lauter Bremer Gewinner

■ Bei der 8. Deutschen Alternativfußball Meisterschaft stürmt Vibrator Moskovskaya bis kurz vor den Himmel und zwei weitere Bremer Teams erleben kleine Wolkenreisen

Es war bislang ein sakraler Ort: An dieser Stelle hat der legendäre Erwin Kostedde den Bremer SV trainiert, in jenem Unglücksjahr 1992, und irgendwie seufzte der Rasen noch immer, wenn man über ihn schritt: „Ach, Erwin.“

Schweiß drüber: Am Pfingstwochenende erlebte die Sportanlage beim Kuhhirten einen kaum vorhersehbaren Triumph im Bremer Fußball. Vibrator Moskovskaya, das Meisterteam der Wilden Liga Bremen, torpedierte sich mit Granatenfußball bis ins Endspiel der 8. Deutschen Alternativfußball Meisterschaft (DAM) und scheiterte dortselbst nur knapp und eher an den eigenen Nerven als am Gegner Rote Nullen Aachen. Nach einem 1:1 gaben sich die Bremer erst durch ein dramatisches Penalty-Schießen mit 2:3 geschlagen und ermöglichten damit den Aachenern den dritten Meistertitel in Folge.

Da staunte selbst Platzwart Hubert Dönselmann. Vorbei sind endgültig die Zeiten, in denen er die heimischen Alternativfußballer mit seiner Dogge Moritz von der Wiese auf die Asche verbannen wollte. „Moritz oder Polizei“ gilt aber auch heute noch als Geheimparole für die ehemals im Untergrund trainierenden Alternativkicker, die – oh schöner Lauf der Dinge – mittlerweile beim Kuhhirten öffentlich ein und ausgehen können. „Die Jungs sind wirklich ordentlich und trinken auch nicht so viel“, erklärte Platzwart Dönselmann kurz vor Ende des Turniers. Zur Belohnung durfte das Endspiel deshalb auch auf dem Sahneplatz der Anlage ausgetragen werden („Aber jaaa nich vorher auf den Rasen!“).

Erfolge verbuchen konnten nach Vibrator Moskovskya auch die beiden anderen Bremer Teams. Roter Stern Bremen trumpfte nicht nur mit einer mustergültigen Turnierorganisation auf, sondern schoß sich selbst gegen Beton Union Köln auf den 9. Platz der alternativen Fußballhitliste. „Unser größter sportlicher Erfolg überhaupt“, erklärte Michael Pelster, dem man die Antwort wegen marodierter Stimmbänder mehr von den Lippen ablesen mußte als das man sie hätte hören können. Die Roten Sterne waren erstmals mit zwei Teams angetreten, einer Offensiv- und einer Defensiv-Elf, und hatten deshalb erstaunlich viel Luft.

Mit einem souveränen 2:1-Sieg im Spiel um Platz 19 sicherte sich auch der „Bunte Sturm Bremen“ einen Achtungserfolg. Das älteste Bremer Alternativfußballteam (nächstes Jahr wird das Team 20 Jahre alt) hat sich dabei als „Meister der Schlacke“ zurückgemeldet, vermeldete Teamchef Holger Möller.

Gewinner, so weit das Auge reichte. Für den 2:1-Sieg von Fortuna-Unglück Gelsenkirchen im Spiel um Platz 21 unterbrachen die Teams des Nachbarfeldes ihr eigenes Match und brachten den grünweißen Gelsenkrichenern standing ovations. Das Team konnte mit Max (12) den jüngsten und Ulrich (57) den ältesten Spieler und alle zusammen die beste Laune präsentieren. Schöne Gesten auch am Rande des Spiels um Platz 23: Dort schickten die Duisburger im entscheidenden Penalty-Schießen ihre Frauen aufs Feld, die Nevenstärke bewiesen: Bislang ist ungeklärt, ob das Spiel 11:11 oder 12:12 endete, wahrscheinlich aber Unentschieden. Und auch das unbeschreibliche taz-team hatte wieder einmal gewonnen: Nämlich für eine 1:2-Niederlage um Platz 15 ein Halbjahresabo der „Sport-Bild“.

Im Erfolg von Vibrator Moskovskya sehen viele alte Hasen des Alternativfußballs eine Art Generationenwechsel. Eint die alten die Angst, der leibhaftige Egidius Braun könnte ihnen über den Weg laufen, bekennen die neuen freimütig: „Der DFB ist uns egal.“ Doch von einem ideologischen Bruch mag noch niemand sprechen, denn vorerst gibt es ein neues, gemeinsames Ziel: Roter Stern Bremen und Vibrator Moskovskaya fahren beide zur Bolz-Weltmeisterschaft nach Kassel, die unter dem Motto „Satanische Versen“ zeitgleich mit der bekannten Fifa-Veranstaltung ausgetragen wird

Markus Daschner