■ Der Vormarsch nordjemenitischer Truppen gegen Aden
: Die militärische Lösung ist keine

Zwei Armeen, zwei Verwaltungen – das konnte auf Dauer auch im Jemen nicht gutgehen. Als der Norden immer mehr dazu überging, seine politischen Mehrheiten auszunutzen, und der Süden sich in seine Isolation zurückzog, war es schließlich soweit: Jetzt soll der Krieg den festgefahrenen Karren der jemenitischen Einheit aus dem Dreck ziehen. Die Aussichten auf eine militärische Lösung sind dabei fast so hoffnungslos wie alle vorherigen politischen Anstrengungen. Sicher, der Norden kann derzeit militärische Erfolge vorweisen. Seine Truppen stehen fast einen Steinwurf von der ehemaligen Hauptstadt des Südens, der Hafenstadt Aden, entfernt. Doch was dann? „Wir besiegen zunächst die Aufständischen, und dann verhandeln wir über eine politische Lösung“, ist aus dem offiziellen Norden zu hören.

Doch mit der Beseitigung der politischen Führung Südjemens wären die Gräben längst nicht zugeschüttet. Die Menschen in den Städten des Südens haben starke Vorbehalte gegen die Dominanz des nördlichen Zentralismus und gegen Entscheidungen, die Hunderte Kilometer entfernt, im nördlichen Sanaa gefällt werden. Sie werden die Truppen des Nordens wohl kaum als Befreier feiern. Die ganze Sache ist weder militärisch noch politisch nächste Woche vorüber. Dazu kommt, daß nun auch immer mehr Öl von außen ins Feuer gegossen wird. Der Irak sendet angeblich Kriegsflugzeuge an den Norden, und die Saudis liefern im Gegenzug Panzer frei Haus nach Aden. Den Kämpfenden wird ihre Munition also nicht so schnell ausgehen.

Die einzige Lösung ist ein sofortiger Waffenstillstand und – notgedrungen – eine vorübergehende erneute Teilung des Landes. Danach könnte die Vereinigung neu verhandelt werden: mit realistischeren Varianten. Etwa mit einem föderativen Staatsaufbau, der den einzelnen Regionen und nicht nur dem Süden größere Autonomie gewährt. Auch über eine gerechte Verteilung der Gewinne aus neu entdeckten Ölfunden ließe sich verhandeln.

Traditionelle regionalistische Stammesstrukturen müßten dann durch staatliche Institutionen ergänzt werden. Der kurze demokratische Frühling – einen der wenigen in der Region –, den die JemenitInnen erlebt haben, ließe sich womöglich weiter fortführen. Vielleicht folgt dem regionalistischen Pluralismus dann auch der Pluralismus in den Regionen mit neuen Loyalitäten. Solange man aber nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Sanaa entfernt unbehelligt von staatlicher Kontrolle in Autos ohne Nummernschild und mit Kalaschnikow auf dem Schoß seinen eigenen Geschäften nachgehen kann, bleibt nicht nur die zentralistische Einheit, sondern auch das Konzept eines Nationalstaates illusionär. Karim El-Gawhary