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: Eins, zwei, drei

Die Präsidentenwahl, Montag, ARD und ZDF

Was macht das Fernsehen, wenn ein Vorgang zwar ausgesprochen bedeutsam ist, das Ergebnis aber absehbar? Es inszeniert Spannung. So geschehen am Pfingstmontag bei ARD und ZDF. Beide Sender berichteten vom Vormittag bis in den Abend über eine Wahl, die eigentlich gar keine richtige ist – der Bürger durfte schließlich nicht abstimmen –, und über einen Prozeß, dessen Ergebnis absehbar war – am Ende war Roman Herzog Bundespräsident. Jedes Fußballspiel des Bundesliga-Tabellenführers gegen eine Gurkentruppe der 3. Kreisliga ist spannender. Denn politisch-arithmetisch-koalitionstreu war das Votum für Herzog schon Wochen zuvor so gut wie sicher. Allein das Fernsehen stilisierte die Wahl zu einem offenen Rennen hoch, bei dem der Mitbewerber Johannes Rau durchaus noch Chancen hätte. Er hatte natürlich nicht.

Von daher gab es am Montag eigentlich nichts Interessantes zu sehen. Eine Menge Menschen, vorwiegend Männer, saß herum, ging auf und ab, setzte sich wieder, verschwand hinter verschlossenen Türen – und das geschlagene sieben Stunden lang. Mittels kleiner Filmchen über Jugendliche in Buchenwald, Billy Wilders Komödie „Eins, zwei, drei“, Presseclub, Tennis, Interviews mit angeblichen Persönlichkeiten und bedeutsamen Worten diverser Kommentatoren aus dem Reichstag gelang es ARD wie ZDF, die mediale Langeweile zwischen stundenlangen Wahlgängen notdürftig zu überbrücken und damit etwas zu produzieren, das, wie gesagt, eigentlich gar nicht existierte: eben Spannung. Noch nach dem zweiten Wahlgang und der Entscheidung der FDP für Roman Herzog im dritten blieben die Kommentare betont vorsichtig. Schließlich muß der Konsument an der Röhre gehalten werden. Welche Aufgaben auf den kommenden Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren indes zukommen, was also eigentlich der tiefere Sinn der ganzen Veranstaltung war, blieb dem Zuschauer dagegen weitgehend verschlossen.

Ob es in der ganzen Fernsehnation einen (oder gar zwei) Menschen gegeben hat, die tatsächlich sieben Stunden „in der ersten Reihe“ am TV-Gerät ausharrten, bleibt der Reichweitenforschung überlassen. „Eins, zwei, drei“ war jedenfalls wieder mal ganz große Klasse. Klaus Hillenbrand