Mehr als parlamentarische Turbulenzen in Zagreb

■ Senatspräsident Mesić abgewählt / HDZ vor der Spaltung?

Split (taz) – Der neue Präsident des kroatischen Senats heißt Katica Ivanišević und ist Mitglied der regierenden „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ (HDZ). Und seine Wahl hat die Auseinandersetzungen an der Staatsspitze auf einen neuen, nach außen hin sichtbaren Höhepunkt getrieben. Denn sowohl Vorgänger Josip Manolić als auch der Vorsitzende des Unterhauses, Stipe Mesić, der ebenfalls abgewählt werden soll, gehörten bis Mitte März zum engsten Kreis um Staatspräsident Franjo Tudjman. Und gelten heute als dessen gewichtigste Kritiker.

In den letzten Monaten hatten beide Poltiker dem Präsidenten in immer schärferer Form vorgeworfen, den „unnötigen Krieg im Kriege“ der Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO) gegen die bosnische Armee vom Zaun gebrochen und die Entwicklung zur Demokratie in Kroatien behindert zu haben. Sie kritisieren den autokratischen Stil Tudjmans und die Korruption, die in der HDZ um sich gegriffen habe. Mit der Gründung einer neuen Partei, der „Kroatischen Unabhängigen Demokraten“ (HND) Anfang April war es Mesić und Manolić zudem gelungen, einen Keil in das Machtgefüge Kroatiens zu treiben. In der Regierungspartei geben nach Ansicht der beiden Dissidenten nun die eindeutig „rechten“ Kräfte den Ton an. Die HND liegt dagegen bei Umfragen mit mehr als 7 Prozent der Stimmen bereits an dritter Stelle der Parteienlandschaft.

Zwölf ehemalige HDZ-Abgeordnete im Unterhaus sind bisher in die HND eingetreten. Die Regierungspartei, die in der 138 Sitze umfassenden Kammer bisher über 85 Abgeordnete verfügte, läuft nun Gefahr, ihre absolute Mehrheit zu verlieren: Drei Abgeordnete hatten sich geweigert, schriftlich dem Antrag auf Abwahl von Parlamentspräsident Mesić zuzustimmen. Zudem gelten viele der 70 Abgeordneten, die letztendlich doch unterschrieben, keineswegs als sichere Kantonisten Tudjmans. Nach Angaben aus Zagreb mußten die Unterschriften durch sehr starken Druck seitens der Parteiführung erzwungen werden. Im Senat hingegen verfügt die HDZ weiterhin über eine komfortable Mehrheit.

Daß der Erosionsprozeß auch die Basis der HDZ erfaßt hat, zeigt der Verlust der HDZ-Mehrheit in Županja, dem wichtigsten Bezirksparlament Zagrebs. Auch aus anderen Bezirken, Städten und Kreisen kommen unangenehme Nachrichten. Deshalb versuchte Tudjman in den letzen Wochen, den Konflikt mit den beiden ehemaligen Weggefährten herunterzuspielen. In einem „Gentlemans Agreement“ wurden letzten Mittwoch endlich Spielregeln für die zukünftige Arbeit im Parlament festgelegt, die bisher angesichts der absoluten Mehrheiten der regierenden Partei als nicht nötig erachtet worden waren. Demnach soll eine den westeuropäischen Demokratien nachempfundene Geschäftsordnung die bisher stets turbulent verlaufenden parlamentarischen Debatten in Zukunft ordnen helfen. Der Opposition wurde der Posten der Vizepräsidenten in beiden Kammern angetragen. Erich Rathfelder