Zuversicht im „verschlafenen Provinznest“

■ Die Noch-Regierungsstadt Bonn versucht sich auf die Zeit danach einzustellen

Bonn (taz) – „Bonn ist kein Provinznest“ – zu dieser Klarstellung fühlte sich unlängst Bonns Oberstadtdirektor Dieter Diekmann höchstselbst genötigt. Immerhin hatte der Bundestags-Abgeordnete Konrad Weiß (Bündnis 90/ Grüne) soeben seinen Eindruck von der „Provinz“ am Rhein im örtlichen Lokalfunk geschildert. Doch Diekmanns PR-Versuch fruchtete nichts: Wenig später sorgte eine Berliner Besuchergruppe im Bonner Rathaus erneut für Aufregung – die Touristen sprachen tatsächlich vom „Kaff“, vom „verschlafenen Provinznest“.

Daß was dran ist am Klischee, beweist längst die regionale „Strukturförderungsgesellschaft“, die den Wandel der CDU-regierten Stadt vom Regierungssitz zur Wissenschafts- und Kulturmetropole meistern soll: Seit einem Jahr unternimmt Geschäftsführer Hans-Jürgen Arens fragwürdige Auslandsreisen und präsentiert statt Erfolgen unvollständige Sitzungsunterlagen. Wann der Aufsichtsrat die Notbremse zieht, scheint nur eine Frage der Zeit.

Dennoch verbreitet man Zuversicht im Bonner Stadthaus. Die Telekom, die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung und die Deutsche Luft- und Raumfahrtgesellschaft sollen Bonn künftig als Standort der Kommunikationstechnik profilieren und Arbeitsplätze schaffen. Und dank der 2,8 Milliarden Mark, die der Staat als Ausgleich für den Regierungsumzug zahlt, kann die Noch-Regierungsstadt vielversprechende Projekte anschieben. So forscht in Bonn seit vorigem Monat ein „International Centre for Conversion“, wie Waffen am besten in zivile Dinge verwandelt werden können. Wenige hundert Meter entfernt hat sich ein „Institut für Wissenschaft und Ethik“ eingerichtet. Der Ruf der „Wissenschaftsstadt Bonn“ dürfte derweil mit dem milliardenschweren „Centre for European Research“ stehen oder fallen, in dem WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland künftig Fragen der Hochtechnologie klären sollen. Ob Bonn damit den Ruch der Provinz los wird? Zweifelhaft bleibt's, zumal die Stadtoberen selbst bei der Grundsteinlegung von Autohäusern versuchen, ihrem „Provinznest“ Metropolenstatus an den Hals zu dichten. Bernd Neubacher