Und noch ein unnützes Revival

■ Reinhard Münsters harmlose Komödie „Alles auf Anfang“

Die Geschichte ist schwer zu erzählen, zuviel Personal. Da sind die reiche ältere Frau und ihr Mann, ein Habenichts, dem sie mal ein Filmstudio gekauft hat, damit er Produzent spielen kann. Der Chauffeur, der für die Dame Steuermillionen in die Schweiz schmuggelt. Ein erfolgreicher Regisseur, der mit dem Filmproduzenten einen Film – was sonst – drehen will, seine Frau, eine erfolgreiche Schauspielerin, die die Hauptrolle in dem Film möchte, und das junge Mädchen, das unbedingt Schauspielerin werden will und darum erst mit dem Regisseur poussiert und dann mit seinem Bruder, einem Drehbuchschreiber mit Hang zum Künstlerischen. Jeder ist mal oben, zum Schluß sind der Chauffeur oben und die junge Ambitionierte. Wenn man die Geschichte einer Komödie nicht vernünftig nacherzählen kann, dann ist sie gut. Und diese ist gut.

Ich verstehe bloß nicht, wo sie spielt. Reinhard Münster hat eine Komödie über den Film im Film gedreht. Bedauerlicherweise schreiben wir jedoch das Jahr 1994. Es gibt keine Filmindustrie in Deutschland, gegen die man gezielt bösartige Seitenhiebe austeilen könnte, die einem atemlosen Millionenpublikum Filme wie „Sunset Boulevard“ oder „All about Eve“ lieferten. Wilder und Mankiewizc zitiere ich nicht, weil ich grundsätzlich nur die Größten gelten ließe, sondern weil Münster sie andauernd zitiert. „Inhalt ist gut – Dialog ist besser“, schreibt er im Presseheft. Kann schon sein. Aber seine Dialoge beschreiben einen leeren Raum. Vielleicht wären sie witzig, wenn es einen Zusammenhang, einen Bezug zu einer wie auch immer gearteten Realität gäbe. Das Studiosystem, das Wilder in „Sunset Boulevard“ kritisierte, war real. Ebenso wie die Methoden, mit denen Anne Baxter sich in „All about Eve“ zur gefeierten Schauspielerin hochbiß. Aber wovon um Himmels willen redet Münster? „Wieso findet ausgerechnet unser Produzent mein Buch gut“, grübelt der empfindsame Drehbuchautor. „Weil er der Welt noch etwas hinterlassen will, wo weder Blut noch Sperma fließen“, antwortet sein Bruder, der Regisseur. Nicht gerade das größte Problem des deutschen Films, würde ich sagen.

Es gab auch komische Filme, die überhaupt keinen Bezug zu irgendetwas Realem hatten, nur ein irrwitziges Tempo und irrwitzige Schauspieler, Filme wie „Leoparden küßt man nicht“ oder „Topper“. Gute Schauspieler hat dieser Film auch. Sehr gute sogar: Christiane Hörbiger als Zahnpasta-Erbin, Harald Juhnke als ihr Gatte, Detlef Buck als Chauffeur usw. Aber Münster läßt sie spielen wie Opernsänger, immer zur Rampe hin. Keiner reagiert auf den anderen, sondern nur auf den Text, den der andere sagt.

Das Vakuum, in dem dieser Film spielt, produziert geradezu zwangsläufig eine Harmlosigkeit, die jeder Komik das Genick brechen würde. Auf diese Weise an Traditionen anzuknüpfen ist ungefähr genauso intelligent, wie heute Schlaghosen zu tragen. Noch ein unnützes Revival. Anja Seeliger

Reinhard Münster: „Alles auf Anfang“. Kamera: Axel Block, Drehbuch: Reinhard Münster und Pamela Katz. Mit: Katharina Thalbach, Udo Samel, Detlef Buck, Florian Martens u.a., Deutschland 1993, 86 Min.