■ Mit der Ostseeautobahn auf du und du
: Rammschlag

Berlin (taz) – Ländliches Mecklenburg und eine Bundesautobahn – zwei Welten prallen aufeinander. Gestern schlugen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmannn und der Schweriner Ministerpräsident Berndt Seite (beide CDU) den unsinnigsten Pflock in der Baugeschichte Mecklenburg-Vorpommerns ein: Mit dem sogenannten ersten Rammschlag begann der Bau der Talbrücke Priwalk, ein Kernstück der Ostseeautobahn A 20.

Seite begrüßte den Baubeginn südlich von Wismar mit den Worten: „Ich freue mich über jeden begonnenen Kilometer Autobahn und noch mehr über jeden fertiggestellten Kilometer der A 20!“ Die Talbrücke ist Teil der 190 Millionen Mark teuren Südumfahrung von Wismar, für die Bundestag und Bundesrat Anfang des Jahres ein Investitionsmaßnahmengesetz verabschiedet haben.

Die Begründung für die Asphaltpiste ist dabei denkbar dürftig: „Die Verkehrsprognosen, mit denen der Autobahnbau gerechtfertigt wird, kann man anzweifeln“, meint Arnulf Marquardt-Kuron vom Deutschen Seminar für Städtebau und Wirtschaft. Das Verkehrsaufkommen sei seit den Untersuchungen von 1991 gesunken und nicht wie prognostiziert gestiegen. Marquardt-Kuron, der sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der A 20 befaßt hat, wundert sich auch über die Methodik der Bundesplaner. Die hätten einfach die Touristenströme einiger Sommerwochenenden für den Straßenbedarf eingerechnet, um den Bau der A 20 zu rechtfertigen.

Auch die Entlastung der Innenstadt von Wismar werde durch die Asphaltpiste nicht erreicht. „Die Umfahrung wird nichts bringen, wir haben dort nur 15 Prozent Durchgangsverkehr.“ Nicht der Durchgangsverkehr sei das Problem der Städte an der Ostsee, der innerstädtische Verkehr selbst stürze die Kommunen ins Chaos.

Selbst für die wirtschaftliche Entwicklung Mecklenburg- Vorpommerns wird die Autobahn eher von Nachteil sei, meint Marquardt-Kuron. Mit der Autobahn würden Hamburg und Lübeck einen erheblichen wirtschaftlichen Sog ausüben. Kaufen und produzieren werde vermehrt dort stattfinden. Die Arbeitsplätze an der Ostseeküste gingen verloren. Hermann-Josef Tenhagen