Entwicklungshilfe mit Strohmännern

Windige Immobiliengeschäfte der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Portugal: In Sintra kaufte sie 1988 ein Herrenhaus und ließ sich dennoch weiter die Miete aus Bonn finanzieren  ■ Von Theo Pischke

Lissabon (taz) – Am 4. Oktober letzten Jahres hatte der Spiegel mal wieder eine Exklusivnachricht aus dem Bonner Dschungel. Unter der Überschrift „Schloßkauf verhindert“ wurde über „undurchsichtige Geschäfte der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS)“ berichtet. Das Bundesfinanzministerium, so wußte Der Spiegel, „erteilte FNS-Plänen eine Absage, für rund sechs Millionen Mark aus Steuergeldern ein Schloß im portugiesischen Sintra als internationale Bildungsstätte zu kaufen.“ Auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) lehne das Projekt „strikt ab“.

Was Der Spiegel nicht wußte: Der Schloßkauf wurde gar nicht verhindert – er hatte, mithilfe von Treuhandverträgen, schon 1988 stattgefunden. Das beweisen notarielle Dokumente, die der taz vorliegen. Doch bis 1993 ließ sich die FNS die jährliche Miete von 560.000 Mark aus Entwicklungshilfemitteln bezahlen.

Sintra ist schön. Ein exklusives Ausflugsziel in der Nähe von Lissabon. So exklusiv, daß Jorge de Mello, einer der reichsten Industriellen Portugals, dort seinen luxuriösen Landsitz unterhielt. Allerdings nur bis 1988. Dann kam die bundesdeutsche Entwicklungshilfe, genannt „Förderung der gesellschaftspolitischen Bildung“. Von jetzt ab ließ die Naumann- Stiftung die Teilnehmer ihrer Seminare im Herrenhaus „Quinta“ aus Afrika, Lateinamerika und Osteuropa dorthin einfliegen.

Finanziert werden alle diese Aktivitäten aus dem Etat des Bonner Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Doch offenbar rechnete die liberale Stiftung nicht damit, den Kauf der Luxusimmobilie auch noch finanziert zu bekommen. Und so organisierte man, nicht dumm, ein Dreiecksgeschäft, bei dem das BMZ zahlte und das Schloß dennoch in liberale Hände kam. Im Grundbuch wurde der einheimische, aber mittellose Projektpartner der FNS als Eigentümer eingetragen: das „Instituto Progresso Social e Democracia“ (IPSD), eine Stiftung der portugiesischen Regierungspartei „Partido Social Democrata“, die nur dem Namen nach sozialdemokratisch ist, tatsächlich aber auf liberal-konservativem Kurs segelt.

Projektpartner als Strohmänner

Die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an der „Quinta“ in Sintra klärte erst ein genauerer Blick ins Grundbuch und in einen Zusatzvertrag, der ebenfalls der taz vorliegt: Im Grundbuch ist die FNS als Bürge einer Hypothek von insgesamt 359 Millionen Escudos (damals vier Millionen Mark) eingetragen, mit der bei der Lissaboner Bank „Espiritu Santo e Comercial“ ein Kredit aufgenommen wurde. Offensichtlich zum Kauf der Immobilie.

Das IPSD als treuhänderischer Eigentümer verpflichtete sich jedoch gleichzeitig per Vertrag, in das Grundbuch die Naumann-Stiftung oder einen anderen als Eigentümer eintragen zu lassen, sobald die Stiftung dies wünscht. Diese Art von Strohmann-Geschäften ist in Portugal legal und weit verbreitet. Außerdem gab das IPSD dem Anwalt der Naumann-Stiftung, João Vale e Azevedo, die notariell beglaubigte Vollmacht, für sie jederzeit die Übertragung der Eigentumsverhältnisse vornehmen zu lassen.

Mietkauf aus Bundesmitteln

Beim BMZ deklarierte die Naumann-Stiftung das Haus als gemietet. Mit der Jahresmiete von 560.000 Mark konnte nun bequem der Kredit abgezahlt werden, und wäre alles so weitergegangen, dann wäre das Schmuckstück nach rund zehn Jahren abgezahlt gewesen.

Es ging aber nicht so weiter. Im vergangenen Jahr bemühte sich die Stiftung endlich beim BMZ um Plazet und Geld für den Kauf des Herrenhauses. Gegenüber dem Bonner Ministerium machte sie geltend, das Projekt „durch Einsparung von BMZ-Mitteln in Entwicklungshilfeprojekten finanzieren“ zu wollen, wie der Spiegel am 4. Oktober 1993 berichtete. Doch zu spät. Denn mittlerweile zeichnete sich ab, daß das BMZ demnächst keine Projekte deutscher Parteistiftungen in Portugal mehr fördern wird. Das Land gilt schließlich heute, zwanzig Jahre nach der „Nelkenrevolution“, als stabile Demokratie. Und das Entwicklungshilfeministerium zahlt für die dortige Arbeit von Parteistiftungen nur noch bis Ende des Jahres. Urs Schötli, Vizepräsident der „Liberalen Internationale“ in Madrid, bestätigte der taz: „Die Naumann-Stiftung wird sich Ende 1994 aus Portugal zurückziehen.“ Für das laufende Jahr hat das BMZ laut Schötli noch drei Millionen Mark zur Verfügung gestellt, die noch verbraucht werden sollen.

Kurz nachdem die Bundesregierung den Kauf der „Quinta“ abgelehnt hatte, trennte sich auch die Naumann-Stiftung von ihrem Herrenhaus. Zu diesem Zweck bediente sie sich der Vollmacht, die das IPSD dem Naumann-Anwalt Vale e Azevedo gegeben hatte. Der Anwalt seinerseits bevollmächtigte nun einen Vertreter der Naumann-Stiftung namens Bernd Rüdiger Scheitterlein, die „Quinta“ zu verkaufen. Dies hatte seinen besonderen Grund: Käufer war Vale e Azevedo selber. Oder genauer, die eigens zu diesem Zweck gegründete Immobiliengesellschaft „Quinta da Ribafria“. Teilhaber an dieser Gesellschaft sind nach Informationen der Zeitung Independente Vale e Azevedo sowie die Firma „Sojifa“ mit Sitz in Luxemburg. Aus der internationalen Bildungsstätte der Naumann- Stiftung soll jetzt eine internationale Unternehmensakademie werden. Der Kaufvertrag wurde am 9. Dezember 1993 unterzeichnet und beim 21. Notariat im Lissabonner Stadtbezirk Santos hinterlegt. Kaufpreis: umgerechnet 8,5 Millionen Mark. Also weit mehr als das Doppelte des Preises, zu dem die „Quinta“ 1988 gekauft worden war. Kein schlechtes Geschäft für die Liberalen, möchte man vermuten.

Ein wundersamer Spekulationsgewinn

Eins scheint festzustehen: der einstige Projektpartner der FNS hat von dem Spekulationsgewinn nichts gesehen. Das IPSD erfuhr erst Mitte April von dem Verkauf, mit dem es überhaupt nicht einverstanden ist. Denn das luxuriöse Anwesen dient der Regierungspartei PSD auch als Ort für Kongresse und Parteikonferenzen.

Vor Gericht hat das IPSD inzwischen die Annullierung des Kaufvertrages gefordert, weil das Gebäude künftig kommerziell genutzt werden soll. Schließlich war es seinerzeit deshalb so billig, weil es unter Denkmalschutz steht und mit der gemeinnützigen Zweckbindung auch die Verkaufssteuern gespart wurden.

Das BMZ scheint von der Umwegfinanzierung gewußt zu haben. Auf Anfrage der taz teilte Ministerialdirektor Rudolf Huber jedenfalls mit, man habe den Mietvertrag gesehen und auch gewußt, daß die Miete „einen Anteil an Finanzierungskosten des Vermieters beinhaltete“. Vielleicht interessiert sich ja der Bundesrechnungshof dafür, wie sich mit einer geschickten Mixtur aus Treuhandverträgen und Entwicklungshilfegeldern gewinnträchtige Immobiliengeschäfte machen lassen.