Singender Bohemien im Reifeprozeß

■ Stephan Hippe, der monologisierende Chansonnier, im Jungen Theater

„Hier ist er endlich, der deutsche Chansonnier“ hatte die Presse letzten Herbst ausgerufen, als Stephan Hippe seine erste CD präsentierte. Ich möchte nicht krepieren nennt sie der Hannoveraner Sänger. Weil er außerdem auch noch Schauspieler und Stückeschreiber ist, hat er zur CD jetzt etwas entwickelt, was man vielleicht als Theaterstück bezeichnen könnte. Oder doch besser als Liederabend. Oder überhaupt als Musiktheater. Oder mit Hippes eigenen Worten als „musikalischen Monolog von und mit“: Ich möchte nicht krepieren oder Die letzte Nacht hatte Mittwochabend im Jungen Theater seine Bremer Premiere. Uns ZuhörerInnen aber hat diese letzte Nacht mit ihrer ganzen Aufregung dann leider nur en passant gestreift.

Eine Geschichte will er uns erzählen, der Mann auf der Bühne im blütenweißen Hemd und schwarzer Ausgehhose. Die Geschichte der letzten Nacht eines Bohemiens in seinem kleinen Pariser Zimmer, aus dem er ausbricht. Den Gashahn aufdreht und mit dem Sterben liebäugelt. Diese Geschichte der letzten Nacht hat vor ihm schon einer erzählt, Emmanuel Bove in seinem gleichnamigen Roman. Stephan Hippe gibt sie mit ganz wenigen Zitaten wieder und monologisiert mit umso mehr Sangeskraft.

Breit ist die Palette an Gefühlen, die so ein Gedanke an den Tod freisetzt. Breit ist auch die Songpalette, die Stephan Hippe dazu assoziiert. Und da schöpft er fleißig aus dem Fundus der „Großen“. Lieder von Jacques Brel oder Konstantin Wecker singt er oder „leiht sie sich an“, will sagen, daß er ihre Musik von Dirk Schnittenhelm neu vertonen ließ und mit eigenen Texten schmückte. Beides immer schön am Klischee entlang: Seine Träume besingt Stephan Hippe zu Meeresrauschensynthesizerklängen, und Kindheitserinnerungen führt er uns zu Drehorgelzirkusmusik vor.

Wir entdecken den Zigeunerjungen von Alexandra darin und können sowieso nicht umhin, uns permanent erinnert zu fühlen – an Enya manchmal, an Udo Jürgens sogar und manch andere denken wir uns besser an dieser Stelle nur. Das könnte ja nun auch schon wieder wohlig sein, Stephan Hippe aber holt uns immer wieder zurück zu dem jungen Bohemien und dessen akustischen Reifeprozeß. Doch auch da bleibt er nicht - Sekunden später singt er ihn und alle Dramatik bereits wieder weg.

Obwohl sich dieser Chansonnier redlich und sonor und manchmal gar burlesk um eben jene Leichtigkeit bemüht, die uns ja wirklich ein bißchen davontragen könnte, hält uns sein musikalisches Round-about davon zurück. Unsere Kaffeehausstühle verlassen wir nach zwei Stunden mit einem leisen Magenkitzeln, immerhin. Silvia Plahl

im Jungen Theater, Friesenstr. 16, noch Fr. - So., 20.30 Uhr