Missionare im Putzkampf

■ Bürgerverein "nofitti" wurde gegründet / Dreißig Vertreter des wahren Berlin wollen Stadtbild vor den Sprayern retten und planen medienwirksame Putzaktionen

Tierisch ging es auf der Gründungsveranstaltung des Vereins „nofitti“ am Mittwoch abend zu. Und sehr ernst. Geschäftsmann Detlef Herrmann, der zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde, sprach nicht nur von einem „siebenköpfigen Drachen“, mit dem es die selbsternannte Putzkolonne im Kampf gegen Wandschmierereien – „einer Beleidung des Ordnungssinns“ – zu tun habe. Auch den Vergleich mit Tieren scheute er nicht. Menschen hätten wie Hunde den Drang, „Duftmarken zur Markierung ihres Reviers“ zu hinterlassen. Unterschied: Sprayer heben statt eines Beins die Sprühdose. Lustig fand das keiner der etwa dreißig Männer und Frauen im Rathaus Tempelhof.

„Wir repräsentieren die absolute Mehrheit der Berliner“, freute sich Herrmann über das „zahlreiche Erscheinen“. Er ist sicher, daß sich in ein paar Monaten zehnmal so viele BerlinerInnen für die „Rettung des Stadtbildes“ einsetzen werden – „wenn wir als Missionare rausgehen“. Als Beweis seiner missionarischen Fähigkeiten rief er den Versammelten zu: „Wacht auf, tut was!“

Mitglied im Verein kann jeder werden, der bereit ist, ein „Drittel einer guten Spraydose“ als Beitrag zu zahlen, und erklärt, keiner radikalen Partei anzugehören. „Wir wollen keine radikalen Trittbrettfahrer, weder rechts noch links“, so Dieter Hapel, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, der den Verein initiiert hat. Ein Mann, dem es um „Lebensqualität“ geht, störte sich an dieser Eingrenzung. „Gerade wegen Graffiti könnte ich eine radikale Partei gründen.“

Während der zweistündigen Veranstaltung wurden nicht nur medienwirksame Auftritte des Vereins diskutiert, eine von einem Anwesenden entwickelte Substanz gegen Graffiti vorgestellt, sondern auch Ursachenforschung betrieben. Fehlender politischer Wille und Erziehungsauftrag der Eltern, mangelnde Demokratie, libertäre Gesinnung und linke Intellektuelle wurden schnell ausgemacht. Sogar die ehrwürdige Akademie der Künste bekam ihr Fett ab, weil sie im Rahmen der Ausstellung „X 94“ Graffiti den Nimbus der Kunst verliehen und einen Katalog herausgegeben hat. Sprayer holten sich den nötigen Adrenalinkick beim illegalen Sprühen, zitierte Herrmann aus der „Graffiti- Bibel“, und all denen, die „sich so richtig schön ärgern wollen“, empfahl er den „aus Steuermitteln finanzierten“ Katalog, der eine „intellektuelle Verbrämung“ sei – Adrenalinzufuhr für Missionare?

Ein junger Mann forderte, das von Hapel aufgegriffene Thema Hasch ebenso aus der Diskussion rauszulassen wie das Verhalten junger Leute, die in der U-Bahn ihre „Schweißfüße“ auf die Sitze legten, worüber sich ein anderer beschwerte. „Wir wollen uns auf das Wesentliche beschränken.“ Enttäuscht war er darüber, daß der Verein nur über geringe Vorkenntnisse der Materie verfügt. Und an eine „große Resonanz“ glaube er nicht. „Wenn einer verprügelt wird, geht auch keiner dazwischen. Wieso sollte ich da bei Graffiti einschreiten?“ Barbara Bollwahn