Eine Kinderei wird Straßenschlacht

■ Nach einem deutsch-türkischen Nachbarzwist randalieren hundert Deutsche

Frankfurt/Mannheim (taz) – Mittwoch abend im Mannheimer Stadtteil Waldhof: Rund hundert deutsche Männer und Frauen ziehen pöbelnd und ausländerfeindliche Parolen rufend durch die Straße Freier Weg (!) der Arbeitersiedlung am Rande der nordbadischen Stadt. Bei einer türkischen Familien werden die Fensterscheiben eingeworfen.

Angefangen hat der ganze Irrsinn am Mittwoch in Waldhof mit einem Streit zwischen einer jungen Fau und einem Kind. Eine 22jährige Deutsche ohrfeigte ein türkisches Mädchen und bekam dafür vom Vater des türkischen Mädchens eine Backpfeife. Die Familie der Frau, so die Polizei, habe danach ihre Hunde auf die türkische Familie gehetzt – und die sich mit „Schlagwaffen“ zur Wehr gesetzt. Im Verlauf der handfesten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Familien hätten sich dann immer mehr deutsche AnwohnerInnen zusammengerottet und – so drei türkische Zeugen – mit ausländerfeindlichen Parolen die deutsche Familie angefeuert. Als die Polizei mit neun Einsatzfahrzeugen kam, zogen die rund hundert Deutschen ab. Die Polizei nahm die Personalien der Streithähne aus den Familien auf. Gegen sechs Deutsche, so Polizeipräsident Knut Feldmann, werde wegen „Verdachts auf Körperverletzung“ ermittelt.

Doch drei Stunden nach dieser Auseinandersetzung, so der Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) gestern auf einer Pressekonferenz, rottete sich die Menge erneut zusammen. Bei einer türkischen Familie wurden die Fensterscheiben eingeworfen. Ein Großeinsatz der Polizei beendete das widerwärtige Spektakel. Die Beamten brachten die türkische Familie, bei der die Scheiben eingeworfen worden waren, zu Verwandten in Sicherheit.

Die Mannheimer Kriminalpolizei, die eine Sonderkommission eingerichtet hat, leitete sofort eine Fahndung nach den Rädelsführern der Aktion ein. Wie Polizeipräsident Feldmann gestern mitteilte, seien bereits 25 beteiligte Personen vernommen worden. In Waldhof verteilten Polizeibeamte gestern Flugblätter, auf denen zu lesen stand, daß sich in Mannheim „alle Menschen, gleich welcher Nationalität“, auf den Schutz der städtischen Gemeinschaft verlassen könnten: „Stadt und Polizei haben zur Verhinderung weiterer Aktionen umfangreiche Maßnahmen ergriffen. Unterlassen Sie Provokationen – dulden Sie keine Provokateure!“

Ausdrücklich nahm Oberbürgermeister Ernst Widder die BewohnerInnen des Stadtteils in Schutz. Waldhof sei kein ausländerfeindliches Viertel. So hätten sich bei ihm persönlich zahlreiche BürgerInnen dagegen verwahrt, jetzt in die ausländerfeindliche Ecke gestellt zu werden. Vor zwei Jahren waren die randalierenden Bürger noch ungestraft davongekommen. Damals hatte die Polizei keinerlei gerichtsverwertbare Beweise über sie gesammelt, als diese drei Tage lang ein Ausländerheim belagert hatten. Die Staatsanwaltschaft mußte seinerzeit die Ermittlungen einstellen. Hermann Rütermann vom Flüchtlingskreis Mannheim kritisiert nach wie vor, daß die Ermittlungen nicht nachdrücklich geführt worden seien. „Diejenigen, die sich damals gegen die Asylbewerber gestellt haben, können sich heute in ihrem Verhalten bestätigt sehen.“ kpk