"Viermal so viele beschäftigen"

■ Auch das neue Beschäftigungsfördergesetz macht es den sogenannten "Sozialbetrieben" nicht leichter / Im Projektverbund "Arbeit und Ausbildung" arbeiten 2.500 Menschen - 10.000 könnten es sein...

Die 27 Projekte und Betriebe der „Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Ausbildung“ (A3) könnten ein Vielfaches mehr an Arbeitslosen beschäftigen, als sie es bisher tun. Der Projektverbund qualifiziert und arbeitet derzeit mit rund 2.500 Menschen verschiedenster Berufskarrieren: lehrstellenlose Jugendliche, Arbeitslose, ehemalige Drogenabhängige.

Hinderlich bei der erwünschten und arbeitsmarktpolitisch gebotenen Ausdehnung – so berichteten Eckart Schäfer und Sabine Bohle, die SprecherInnen des Projektverbundes – seien nicht etwa die Managementfähigkeiten der Projektleiter und Geschäftsführer. Das neue Beschäftigungsfördergesetz ist den Leuten von der „Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Ausbildung“ ein Dorn im Auge. Mit dem Gesetz, das quasi fertig dem Bundestag vorliegt, würde eine flächendeckende untertarifliche Bezahlung in den Projekten eingeführt und ein zweitklassiger Arbeitsmarkt geschaffen.

Was die A3-Projekte – die unter anderem im ökologischen Bau, bei der alternativen Energiegewinnung oder beim „Öko-Catering“ (Mahlzeitenservice) tätig sind – wollen, ist aber ein regulärer zweiter Arbeitsmarkt mit sogenannten gemeinnützigen oder Sozialbetrieben. Daß staatlich subventionierte Löhne gezahlt werden dürfen, wäre nur ein Kriterium dieses Arbeitsmarkts: Nach dem Willen von A3 sollen dort jene Tätigkeiten und Produkte angeboten werden, die der profitorientierte Markt mangels Lukrativität nicht bereitstellt. Und erbringen sollen diese Leistungen Menschen, die zu den sogenannten arbeitsmarktpolitischen Problemgruppen zählen: junge Ungelernte, Frauen, Langzeitarbeitslose. Als Unternehmensphilosophie dient vielen A3- Projekten aber auch eine andere Art der Arbeitsgesellschaft. Nicht allein über Arbeit definiert sich der Mensch; es gibt, so lautet die provokativ-prägnante Formel, ein „Recht auf Nichtarbeit“.

Das neue Beschäftigungsfördergesetz stelle nun gerade die Einrichtung eines angemessenen zweiten Arbeitsmarkts in Frage, meinten Schäfer und Bohle im Gespräch mit der taz. Das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz würde alle ABM-Gehälter und Lohnkostenzuschüsse auf 80 Prozent des Durchschnittsentgelts der gesetzlichen Rentenversicherung einfrieren. Maximal ausbezahlt werden künftig also in Beschäftigungsverhältnissen, die die Bundesanstalt für Arbeit fördert: 2.766 Mark im Westen und 2.142 Mark im Osten.

In einer Modellrechnung hat der Ostberliner Verein „Goldnetz“ gezeigt, daß die ABM- Löhne damit auf ihrem Tiefstand angelangt wären. Der Verdienst einer 49 Jahre alten Frau wäre danach durch Tarifangleichungen und -erhöhungen von 2.788 Mark (Februar 92) zunächst auf knapp über 4.000 Mark (Februar 93) geklettert. Beschränkungen der Arbeitszeit und die jetzt mit dem neuen Gesetz eingeführte sogenannte Kappungsgrenze würde sie dann bis auf 2.183 Mark drücken. Kein Luxus.

Daß das Beschäftigungsfördergesetz in Kraft tritt, bezweifelt niemand. Der Bundesrat kann es höchstens bremsen, nicht aber stoppen. Berlins Arbeitssenatorin Christine Bergmann nannte es eine „arbeitsmarktpolitische Katastrophe“. Das Gesetz regelt nämlich nicht nur die Tarife. Es wird dadurch auch eine Art Zwangsarbeit eingeführt. Wer solche „gemeinnützigen Arbeiten“ ablehnt, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. „Das kann nicht als zumutbar durchgesetzt werden“, so Eckart Schäfer zur taz. Er bezweifelt, daß diese „Zwangsarbeit“ vor den Gerichten Bestand haben werde.

Der Projektverbund A3 stört sich daran, daß die scheidende Bundesregierung kurz vor Toresschluß ein solches Gesetz verabschieden will, obwohl doch die SPD ein viel fortschrittlicheres „Arbeits- und Strukturfördergesetz“ (ASFG) in der Schublade habe. Es würde erlauben, wesentlich leichter Geld für Lohnkostenzuschüsse und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in die sozialen Betriebe zu bekommen. 14 Milliarden Mark würde das ASFG an Mehrkosten verursachen.

Bohle und Schäfer versicherten, ihr Projektverbund sei organisatorisch in der Lage, drei- bis viermal so viele ABM-Kräfte zu beschäftigen. Arbeitsmarktpolitisch gebe es keine Alternative zu einem zweiten Arbeitsmarkt. Sie hätten auch keine Bedenken, daß eine erheblich gesteigerte Fördersumme die finanzielle Integrität ihrer Projekte gefährden könne. Satzungsgemäß dürften kein Privatentnahmen aus dem Betriebsvermögen vorgenommen werden, meinte Eckart Schäfer. Die meisten Projekte würden bereits jetzt mit vollem Geschäftsrisiko arbeiten. Sabine Bohle sagte, das Problem sei nicht, daß mit dem hauptsächlich von Staatsseite kommenden Geld Schindluder getrieben würde. Vielmehr sei es unter den Förderbedingungen der jetzt geltenden Landeshaushaltsordnung so gut wie unmöglich, unternehmerisch zu wirtschaften. cif